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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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so schreckliche Dinge über Win und ihr Baby gesagt, und sie hat mich nie aufgegeben.
    »Jill, hör zu, du warst gut zu mir, das vergess ich dir nicht, aber jetzt tu mir den Gefallen und bemitleide mich nicht«, sage ich. »Ich möchte nicht mit dem Wort ›Opfer‹ auf der Stirn herumlaufen, okay?«
    »Klar.«
    »Also, wie geht’s Win?«, frage ich, weil ich weiß, dass sie das möchte und es ein fairer Deal ist.
    Jill zögert. Es ist, als wollte sie mir ihr Herz ausschütten, hätte aber Angst, ich könnte wieder ausrasten.
    »Sie ist zurück nach Dublin, und Dad ist, nun ja, so, wie er immer war. Sogar noch schlimmer. Diesmal will er nicht mehr mit ihr sprechen, weil sie den verheirateten Typen nicht um Unterhalt angehen will. Es ist ein großes Durcheinander.«
    Zu meiner Überraschung belässt sie es dabei und seufzt nicht weiter wie sonst immer.
    »Wie geht’s mit den Proben?«, frage ich und bin blödsinnig nervös dabei.
    »Bestimmt besser, wenn du wieder da bist.«
    »Aber ich bin schon so lange draußen. Hat Miss O’Neill die Rolle nicht neu besetzt?«
    »Nein … noch nicht. Sie sagt, sie wartet damit bis zu den Ferien.«
    »Wahrscheinlich tu ich ihr auch leid.«
    »Eala, die Rolle ist wie für dich gemacht.«
    »Ja, für mich die kleine Drama Queen.«
    »Genau«, sagt sie, und ich muss lachen. »Kommst du am Montag in die Schule, Eala? Sag, dass du kommst!«
    »Ja«, sage ich. »Ich kann’s gar nicht erwarten, endlich wieder Buchhaltung zu haben.«
    Ich kann mich nicht erinnern, wie lange es her ist, dass ein Gespräch mit Jill nicht im Streit geendet hat. Es fühlt sich gut an, nicht mehr kämpfen zu müssen. Nicht mit Jill und nicht mit mir.
    Also bin ich, wenn ich will, immer noch dabei. Ich krieche noch für eine Weile unter die Decke und tauche in die wohlige Wärme ein, von der ich schon vergessen hatte, dass es sie gibt. Das Glück dauert ungefähr sechzig Sekunden, dann höre ich Tom die Treppe heraufkommen. Niemand kann mit so wenig Armen und Beinen so viel Lärm machen. Dann ist er an meiner Tür. Er ist eine einzige kleine Kugel Schweiß, seine Haare sind ein nasser Wischmopp. Seine Augen sind so groß, als sähe er überall nur wahnsinnig aufregende Dinge.
    »Fu’ball ’pielen?«
    »In fünf Minuten bin ich unten, okay?«
    Ich stehe auf und ziehe die muffige Bettwäsche ab. Dann öffne ich das Fenster und schüttle die Teile eins nach dem andern aus. Staub fliegt auf, kleine Partikel, die eine leichte Brise zum Tanzen bringt.

33
    Unsere Schule liegt auf einer kleinen Anhöhe. An Abenden wie heute leuchtet der Himmel über der Stadt wie eine goldene Schale. Über allem liegt eine friedliche Stille. Man spürt die Kälte, aber auch die Wärme, die der Körper ihr entgegensetzt. Ich gehe über die Eisenbahnbrücke mit dem stählernen Bogen. Unter mir, auf dem hell erleuchteten Bahnsteig, warten Leute auf ankommende Reisende oder wollen selbst verreisen. Ich bin auf dem Weg in die Friary Street. Ich hätte einen kürzeren Weg nach Hause nehmen können, aber ich vertrödle absichtlich ein bisschen Zeit. Mam spricht nicht mit Sean und mir.
    Mein erster Tag in der Schule war nicht halb so peinlich, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein paar schräge Blicke von Leuten, die mir sowieso egal sind, das war alles. Dass ich Jill in meiner Nähe hatte, half. Dass ich wieder bei den Proben mitmachen konnte, auch. Trotz Derek. In einer Szene musste ich ihn sogar küssen, und es machte mir nichts aus. Wenigstens hatte er die Zähne geputzt.
    Nach der Probe blieb ich da und half Miss O’Neill die Aula absperren. Ich wollte sie um etwas bitten. Der Erlös der Schultombola geht jedes Jahr an eine andere wohltätige Einrichtung, und der Scheck wird nach der letzten Vorstellung des Musicals überreicht. Ich fragte Miss O’Neill, obdiesmal nicht die Leute vom Head-Up-Centre das Geld bekommen könnten.
    »Aber natürlich«, sagte sie und kniff mich freundschaftlich in den Arm. »Großartig, Eala.«
    Dann stockte sie, was ihr sonst nie passiert.
    »Ich mach die Lichter aus«, sagte ich, und sie nickte.
    Ich legte die lange Reihe Schalter um, einen nach dem andern. Die Lichter flackerten und erloschen, und die Aula wurde mit jedem Mal ein Stück kleiner, bis sie am Ende ganz verschwand. Seltsam, wie groß einem die Dunkelheit manchmal erscheinen kann, und ein andermal ist sie klein wie das Schwarze eines Schlüssellochs.
    Als ich mich von Miss O’Neill verabschiedet hatte, fand ich auf meinem Handy drei

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