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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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…«
    »Für dich ist er jetzt also eine Art entfernter Verwandter?«
    »Überhaupt nicht. Aber als ich nach Hause gekommen bin, ist mir eine von den Judge-Dredd -Geschichten eingefallen, und irgendwie war auf einmal alles klar.«
    »Mit anderen Worten, du hast die Antwort in einem Comic gefunden.«
    »Vielleicht, ja«, sagte er. »Judge Dredd hat doch diesen Klon – das heißt, eigentlich sind sie beide Klone, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls, dieser Klon, Rico, ist einer von den Bösen, und am Ende gibt’s den großen Showdown, und Judge Dredd killt Rico in diesem Apartmenthaus und …«
    »Dad ist jetzt also einer der Bösen?«
    »Natürlich nicht. Aber als dann die Rettungsleute kommen und Ricos Körper abtransportieren wollen, sagt Judge Dredd: ›Nein, ich mache das‹, und dann …« Sean schluckt, bevor er weiterreden kann. »… dann sagt er: ›He ain’t heavy, he’s my brother.‹«
    »Das war ein Popsong, stimmt’s?«, sage ich. »Er ist auf einer von Dads Oldie-CDs.«
    »Ja. Es ist kitschig irgendwie, ich weiß. Aber es ist trotzdem wahr. Ich meine, man will vielleicht nicht sein ganzes Leben mit seinem Bruder verbringen, aber man würde für ihn durchs Feuer gehen, oder?«
    Ins späte Nachmittagslicht draußen mischt sich ein Hauch von Bronze. Von weit entfernt sind die Geräusche eines geschäftigen Sonntags auf dem Town Square zu hören. Meine Beine und Arme sehnen sich danach, gestreckt zu werden. Sean steht immer noch in der Tür. Es ist fast so, als wüsste er, dass wir noch nicht miteinander fertig sind.
    »Sean, ich denke, wir sollten ihr erzählen, dass Dad im Gefängnis war.«
    Er scheint kein bisschen überrascht zu sein. Er nickt.
    »Sie ist sowieso nah dran, es rauszufinden«, sagt er, und mir geht es anders als ihm. Ich bin überrascht. »Die Detektei ist der Spur Georges Durars nachgegangen und hat auch was über den Prozess rausgekriegt. Martin wollt’s ihr schon erzählen, aber ich hab ihm gesagt, dass ich das übernehme. Ich finde, es ist meine Sache irgendwie.«
    »Wir erzählen’s ihr zusammen«, sage ich, und er ist einverstanden, vielleicht sogar froh.
    Schwer vorzustellen, dass wir jemals wieder aufeinander losgehen werden, wie wir’s so lange getan haben. Aber Zoff wird’s natürlich immer mal geben. Wie überall. Von ganz unten hört man es trampeln, dann schlägt eine Tür zu, und jemand spielt mit einem Ball. Tom.
    »Sean! Fu’ball ’pielen! Fu’ball!«
    »Ich komme!« Sean verdreht die Augen, aber er lächelt dabei. »Weißt du, was ich gedacht habe? Dass ich jetzt für drei Länder spielen kann: Irland, England und Algerien.Vielleicht sogar Frankreich. Cool, was?« Er lacht. »Obwohl wir natürlich erst die Tipperary-Liga gewinnen müssen.«
    Dann ist er weg, ein Trommelwirbel auf den Treppenstufen, der noch in mir nachhallt, als er längst unten angekommen ist. Es ist Zeit, sich wieder unter Menschen zu begeben. Zeit, Jill anzurufen, um zu sehen, wie es ihr nach der neuesten Wendung im Drama um ihre Schwester geht. Wir haben in den letzten Tagen ein paar SMS hin- und hergeschickt, und fairerweise muss ich zugeben, dass sie Win kein einziges Mal erwähnt hat. Eigentlich hatte ich gedacht, es würde Wochen dauern, bis ich die Energie aufbringe, mit ihr zu reden. Und ehrlich gesagt habe ich für den Anruf auch noch einen anderen Grund.
    Ich war zwei Wochen nicht mehr in der Schule, und weil ich weiß, wie wichtig Miss O’Neill die Musicals nimmt, glaube ich kaum, dass sie mich noch mitmachen lässt. Noch weniger ist zu glauben, dass ich wirklich wieder auf die Bühne will, aber genau das will ich. Die Songs kommen mir schon wieder von allein in den Sinn. »Tonight«, »Somewhere«, »I Feel Pretty«. Also scrolle ich Jills Nummer und rufe an. Erst kann sie gar nicht sprechen. Ich höre es eine Weile schluchzen und schniefen und dann nichts mehr.
    »Jill, bist du das? Jetzt wein doch nicht!«
    »Oh, Eala, ich bin so froh, dass du nicht …«
    Das Schluchzen und Schniefen beginnt von vorn. Treib mich nicht wieder unter die Bettdecke, Jill! , denke ich.
    »Dass ich was nicht, Jill?«
    »Du weißt schon … dass du keine Überdosis …«
    »Ich wollte mich nicht wegknallen. – Ist es das, was sie über mich sagen?«
    »Du warst so ganz anders, dass ich nicht wusste, was ichdenken soll.« Wieder eine Pause mit Schluchzen. »Du Arme hast so viel durchmachen müssen.«
    So bemitleidet zu werden nervt mich. Trotzdem kann ich ihr nicht böse sein. Ich hab

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