Jinx und der magische Urwald (German Edition)
interessierte sich nicht weiter dafür. Er war zur Decke emporgeschwebt und wollte weiterschweben, aber irgendetwas hielt ihn auf. Das störte ihn gewaltig. Er schaute nach oben, weil er dachte, die Decke wäre ihm im Weg, aber die Decke war weg. Stattdessen sah er über sich ein großes schwarzes Himmelszelt, gesprenkelt mit Millionen von feuerhellen Sternen.
So hatte Jinx den Himmel noch nie zuvor gesehen. Im Urwald war das unmöglich.
Er sah eine matte, silberne Linie, einen großen Kreis, dort, wo der Himmel auf die Erde traf, und war voller Sehnsucht. Er wollte zu der Linie schweben und sie berühren. Verzweifelt versuchte er höher zu gelangen, aber vergebens. Irgendetwas hielt ihn zurück. Vielleicht sein Körper. Vielleicht Simon.
Gegen seinen Willen schaute er wieder nach unten. Simon kniete neben seinem zusammengesunkenen Körper. Simons Hände lagen flach auf Jinx’ Brust, und er bebte vor Konzentration.
Dann richtete er sich auf und hielt einen goldenen Lichtball in den Händen. Neugierig schaute Jinx von oben zu, wie Simon aufstand und zu seiner Werkbank ging, den Lichtball in den Händen wiegend.
Die grüne Flasche, die Jinx ausgewaschen hatte – oder? Er konnte sich jetzt kaum daran erinnern –, wurde über einer Kerzenflamme erhitzt. Ganz sanft setzte Simon die goldene Lichtkugel auf der Flaschenöffnung ab. Kurz wackelte sie hin und her und fiel dann,
FLUTSCH
, in die Flasche.
Schnell verschloss Simon die Flasche mit einem Korken, dann ging er zurück zu Jinx’ Körper.
Jinx drehte sich um und schaute wieder in den gewaltigen Nachthimmel. Er spürte, dass er fast hineinfliegen könnte, wenn Simon ihn nur ließe.
Simon kniete neben Jinx’ Körper nieder und legte ihm sanft eine Hand auf die Stirn. Jinx spürte, wie er nach unten gezogen wurde, unaufhaltsam, zurück in seinen Körper. Er wehrte sich, aber es hatte keinen Zweck. Über ihm erschien wieder die Zimmerdecke, steinern und undurchdringlich – der Himmel war verschwunden. Jinx sank und sank. Er schlüpfte in seinen herrenlosen Körper, und dann wusste er nichts mehr.
In einen Sack geschnürt
J inx erwachte. Er lag vor dem Kamin auf dem Boden, zugedeckt mit kratzigen Decken. Ihm war heiß, und er befreite sich von den Decken.
Sofort kniete sich Simon neben ihn. »Alles in Ordnung?«
Jinx hatte das Gefühl, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
Simon legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Jinx? Sag doch was, Jinx!«
Jinx kam nicht darauf, was mit ihm nicht stimmte. Was es auch war, so in Unordnung hatte er sich noch nie gefühlt.
»Ich hole dir etwas Wasser.«
Jinx setzte sich auf. Er starrte auf die Wasserperlen auf der Kupferkelle, mit der Simon zurückkam. Mit zitternden Händen nahm er die Kelle und trank. Das Wasser schmeckte nach Stein und Kupfer. Er trank die Kelle leer und wollte noch mehr. Er wollte aufstehen und es holen. Wenn er nur wüsste, wie man aufstand. Es war, als hätte er einen seiner Sinne verloren.
»Jinx, sag doch was.«
Jinx schaute Simon ins Gesicht und sah … nichts. Nur ein Gesicht. Er sah keine Farben und keine Wolken, keine orange gezackte Wut … nur ein Gesicht. Jinx wusste ebenso wenig, was dahinter vor sich ging, als wenn es das Gesicht einer Katze gewesen wäre.
Und nicht nur, dass Simons Gedanken undurchsichtig geworden waren wie die von Donna Glimmer. Etwas in Jinx war erloschen.
»Nein«, sagte Jinx.
»Was
nein
?«, fragte Simon.
Aber was
dachte
Simon? War er sarkastisch, war er wütend, besorgt? Sollte man das daran erkennen, wie sich Mund, Augen und Augenbrauen bewegten? Es war, als wäre man in einen Sack geschnürt! Voller Zorn warf Jinx die Kelle ins Feuer.
Simons Augenbrauen zuckten nach oben. Was auch immer das zu bedeuten hatte. Er nahm die Feuerzange, angelte die Kelle wieder heraus – sie war schwarz vor Ruß – und legte sie auf den Herd.
»War das wirklich nötig, Jinx?
»Ja«, sagte Jinx.
Er rappelte sich auf. Die Welt war irgendwie schief, und er geriet ins Taumeln. Simon reichte ihm eine Hand, aber Jinx schob sie weg.
»Ich kann nichts sehen«, sagte Jinx.
Simon beugte sich zu ihm herab und blickte ihm in die Augen.
»Natürlich kannst du sehen. Du schaust mich direkt an.«
»Ich kann nichts sehen.«
Einer seiner Sinne war verschwunden. Vielleicht auch mehrere. Mit den Augen konnte er noch sehen. Und er konnte riechen, fühlen und hören. Er leckte an seinem Handrücken – es schmeckte nach Dreck und Salz. Fünf Sinne. Aber der
Weitere Kostenlose Bücher