Jinx und der magische Urwald (German Edition)
tragen?
Jinx lehnte sich zu fest an eins der Seile, die das Geländer bildeten, und es gab einen fürchterlichen Ruck, als er plötzlich ins Leere trat. Reven packte ihn und zog ihn zurück.
»Immer mit der Ruhe, Jinx«, sagte Reven. »Halt dich einfach an den Knochen fest, nicht an den Seilen.«
»Gebt gut acht«, sagte der Knochenmeister. »Es wäre so ein unschöner Anblick, wenn ihr hinunterfallen würdet.«
Jinx befolgte Revens Rat und hielt sich an den Knochen fest. Er stieg die Brücke hoch wie an einer Leiter. Eigentlich hatte er keine Höhenangst – jedenfalls hatte er bis jetzt nie welche gehabt.
Schließlich sah er, wie Elfwyn knapp vor ihm den Gipfel erreichte. Dann war er selbst am Ziel. Er krabbelte von der Brücke auf etwas, das fester Stein hätte sein sollen. Doch der Boden schwankte wie eine Wiege. Jinx blieb auf allen vieren sitzen. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er nicht aufstehen können, weil er nicht wusste, wo oben und unten war.
»Oje. Du bist wohl nicht schwindelfrei, Jinx. Ich fürchte, du wirst einem Aufenthalt in meiner kleinen Bleibe nicht viel abgewinnen können.«
»Jinx, was hast du?« Elfwyns Stimme war ein fernes Echo.
»Das ist nur Höhenangst«, sagte Reven.
Nur
Höhenangst? Es war das Schlimmste, was Jinx erlebt hatte, seit Simon ihn seiner magischen Kraft beraubt hatte.
»Kannst du aufstehen? Lass dir Zeit«, sagte Reven.
Jinx ließ sich von Reven aufhelfen und war erleichtert, dass er sich nicht übergeben musste, als er stand. Der Boden schwankte nicht mehr.
Reven und Elfwyn schauten ihn besorgt an. Der Knochenmeister musste hinter ihm sein, die fürchterliche Brücke ebenso.
Drohend erhob sich das Schloss über ihnen. Es bestand aus demselben grauen Stein wie die von Klippen umrahmte Insel selbst. Hinter dem Schloss erhob sich ein rosa-blaues Lichtermeer über den Himmel – ein Sonnenuntergang, wie ihn Jinx noch nie gesehen hatte. Er schaute sich um und sah nichts wachsen außer Flechten.
Ganz von selbst öffnete sich die große Holztür des Schlosses.
»Willkommen auf Schloss Knochenburg«, sagte der Knochenmeister. »Wollt ihr nicht eintreten?«
Der Knochenmeister führte sie in einen großen Saal aus Stein. Die Decke wölbte sich zehn Meter über ihnen. In der Mitte des Saals knisterte ein Feuer, und ein Tisch stand dort – gedeckt für vier Personen.
Der Knochenmeister ging zur Kopfseite des Tisches. »Bitte, nehmt Platz.«
Sie setzten sich. Jinx war verdutzt. Gerade hatte er noch das Gefühl gehabt, sie seien gefangen genommen worden, und das nicht eben sanft. Ein Abendessen hatte er nun wirklich nicht erwartet. Das Essen roch echt. Es gab Putenbraten, gebackene Kartoffeln und kandierten Kürbis.
»Ist das Essen eine Illusion?«, flüsterte Elfwyn.
»Keine Ahnung«, flüsterte Jinx zurück. Er fragte sich, ob man es unbesorgt essen konnte. Jetzt, da die Übelkeit verflogen war, hatte er richtig Hunger.
»Du musst von dem kandierten Kürbis kosten, Elfwyn. Das ist meine Spezialität«, sagte der Knochenmeister und reichte ihr den Teller.
Elfwyn nahm ihn entgegen, als könnte er jeden Moment explodieren, und schaute ängstlich darauf.
»Jetzt kenne ich eure Namen – bis auf deinen, junger Mann.« Der Knochenmeister schaute Reven an.
Reven stand auf und verbeugte sich. »Reven. Euer treuer Diener, guter Knochenmeister.«
»Welch reizende Manieren. Bitte setz dich doch. Koste den Putenbraten.«
Er bestand darauf, ihnen ein wenig von allem zu servieren. Reven schien überhaupt keine Angst vor dem Essen zu haben. Jinx schaute zu, wie der Knochenmeister ein Stück Braten mit der Gabel aufspießte und es in den Mund schob. Reven, der höflich darauf gewartet hatte, dass der Knochenmeister den Anfang machte, nahm von dem Kürbis.
»Ganz ausgezeichnet, mein Herr«, sagte Reven.
Reven fiel nicht tot um. Der Kürbis dürfte also genießbar sein.
Das Essen schmeckte nicht wie eine Illusion. Es schmeckte echt. Jinx hatte Simons Kochkünste vermisst, aber er musste zugeben, dass die des Knochenmeisters noch besser waren. Der Braten schmeckte ein wenig seltsam, weil Jinx seit Jahren kein Fleisch gegessen hatte, aber er gewöhnte sich daran.
»Ihr müsst unbedingt den Wein probieren. Es ist ein besonders guter Jahrgang«, sagte der Knochenmeister.
Jinx schaute auf den Becher neben seinem Teller, der bis zur Hälfte mit dunklem Wein gefüllt war. Er war grau-weiß mit einem Rand aus Blattgold und stand auf drei Beinen. Jinx nahm den Becher
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