Jinx und der magische Urwald (German Edition)
als ich dir in die Augen geschaut habe«, sagte der Knochenmeister. »Dein Leben ist weg. Ich nehme an, Simon hat es dir genommen.«
»Aber hätte er mich dann nicht töten müssen?«
»Das ist etwas hart ausgedrückt, aber an irgendeinem Punkt des Vorgangs, das ist wahr, musste er dich töten, um dir das Leben zu nehmen.«
»Das würde Simon niemals tun!«
Der Knochenmeister lächelte. »Mein guter Freund Simon? Du meine Güte. Ich glaube nicht, dass du Simon so gut kennst wie ich, Jinx.«
Jinx versuchte ruhig zu denken. So wie jetzt vor dem Knochenmeister hatte er sich vor Simon nie gefürchtet. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass Simon ihm seine magische Kraft geraubt hatte. Und was hatte es mit der leuchtenden Kugel auf sich, die in der Flasche verschwunden war? War das etwa sein Leben gewesen?
»Er hat für seinen Zauber eine Flasche verwendet«, sagte Jinx.
»Ja? Es wundert mich, dass er das geschafft hat.« Der Knochenmeister lächelte. »So etwas Schreckliches. Und hast du jetzt nicht das Gefühl, unvollständig zu sein?«
Jinx dachte an seine fehlende magische Kraft und an die weiße Leere in seinem Gehirn, die ihm manchmal immer noch im Weg war. Ja, er fühlte sich unvollständig.
»Simon ist kein guter Mensch, Jinx.« Es schien den Knochenmeister zu betrüben, Jinx das sagen zu müssen. »Er giert zu sehr nach Macht. Für neue Magie, neues Wissen würde er alles tun. Wirklich alles, nur um Macht zu erlangen.«
Konnte das stimmen? Jinx dachte daran, wie Simon nächtelang wach geblieben war und an neuen Zaubereien gearbeitet hatte, wie er Sophie vertrieben hatte, um Jinx zu berauben. Um Jinx zu
töten
.
»Jetzt, da er dein Leben hat, denkt er sich wohl, er könne dich getrost ziehen lassen«, sagte der Knochenmeister. »Aber da hat er sich geirrt. Erst dachte ich, er wollte dich als seinen Zauberlehrling anheuern, der alles tut, was er will. Doch vielleicht hattest du kein Talent.«
Jinx biss die Zähne zusammen, um nicht schroff zu erwidern, er hätte sehr wohl Talent. Wahrscheinlich hatte er ja wirklich keins. Das war jedenfalls Simons Meinung gewesen.
»Dacht ich’s mir doch, dass er böse ist«, sagte Reven.
Der Knochenmeister biss von seinem Apfel ab. »Das ist er ganz gewiss. Er öffnete einen Weg nach Samara, um dort an der Universität zu studieren. Magie ist in Samara verboten, das habe ich jedenfalls gehört – ich war selbst nie da –, doch die Bibliotheken dort umfassen Wissen über die Magie, wie wir es hier nicht besitzen. Simon hat Jahre in Samara verbracht und Sachen gelernt, die wir anderen nicht wissen.«
»Lernen ist aber kein Verbrechen«, sagte Elfwyn.
»Sehr richtig. Aber er behält sein Wissen für sich. Wissen sollte allen zugänglich sein.«
Jinx dachte an Simons Geheimniskrämerei – wie er Jinx bestimmte Bücher nicht aufschlagen und ihn anfangs die Werkstatt nicht betreten ließ.
»Wäre der Weg nach Samara offen, dann könnten ja alle, die es wollen, dorthin gehen und studieren«, sagte der Knochenmeister.
»Was ist dieses Samara?«, fragte Reven.
»Das kann Jinx dir besser erzählen«, sagte der Knochenmeister mit einem Glitzern in den Augen.
»Es ist … äh … ein Land ohne Bäume«, sagte Jinx. Er wandte den Blick nicht von dem Knochenmeister, aber er konnte nichts Schlimmes daran finden, Samara zu beschreiben. »Die Häuser stehen nah beieinander, und die Leute tragen bunte Kleider. Und es ist heiß.«
»Ah – dann warst du also tatsächlich dort«, sagte der Knochenmeister.
»Wenn es dort keine Bäume gibt, dann würden sie sicher gern Handel mit dem Urwald treiben«, sagte Reven.
»Was? Wieso?«, fragte Jinx.
»Um Bäume zu bekommen«, sagte Reven.
»Ich glaube nicht, dass die Urwaldbäume in Samara wachsen könnten.«
»Ich meine nicht lebendige Bäume«, sagte Reven. »Ich meine Holz.«
Jinx sagte nichts dazu.
»Simon teilt die Geheimnisse von Samara also nicht mit anderen Zauberern, wohl aber mit dir«, sagte der Knochenmeister. »Erzähl doch mal, wie du Simon in die Hände gefallen bist.«
Konnte es schaden, davon zu erzählen? »Ich hatte mich im Wald verirrt«, sagte Jinx.
»Ach so.« Der Knochenmeister warf das Kerngehäuse seines Apfels ins Feuer, wo es mit einem Zischen verbrannte. »Nur ein Leben, verloren im Wald.«
Wahrscheinlich war es ein Fehler, dachte Jinx, so viel zu erzählen. Er plauderte Simons Geheimnisse aus. Das durfte er bestimmt nicht. Aber wenn Simon ihn … nun ja, getötet hatte, dann war er ihm
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