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Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Titel: Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bleskin
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klar, dass Trends
kommen und gehen, und ist er erst einmal Teil eines Trends, geht er
unweigerlich mit ihm unter. Damit das nicht passiert - und weil ihm die
aufgezwungene Fröhlichkeit der NDW mittlerweile gegen den Strich geht - macht
Witt eine Kehrtwende und nimmt 1983 mit «Märchenblau» ein konsequent
 melancholisches Popalbum auf. Er investiert ganze 140 000 Mark in ein
exklusiv für ihn angefertigtes Mischpult, um den rohen Charme von «Silberblick»
und «Edelweiß» nicht zu wiederholen. Seine Devise lautet - wie schon so oft und
immer wieder - Veränderung.

In künstlerischer Hinsicht ist die Platte für ihn der Höhepunkt seines
bisherigen Schaffens; mit dem Titelsong und «Wieder bin ich nicht geflogen»
enthält sie gleich zwei Titel, die er noch nach Jahren zu seinen Lieblingen
zählen wird. Finanziell aber gerät «Märchenblau» zum Desaster. Trotz
wohlorganisierter Promotion inklusive eines Auftritts in der Musiksendung
«Formel Eins» nimmt das Publikum keinerlei Notiz von Joachim Witt. WEA startet
im November 1983 einen letzten Versuch, Joachims NDW-Popularität zu nutzen und
bringt mit «Hörner in der Nacht» den einzigen Titel von «Märchenblau» als Single
heraus, der sich irgendwie noch mit der Neuen Deutschen Welle in Verbindung
bringen lässt. Aber selbst Joachim empfindet diesen Song mittlerweile als
geschmacklos, peinlich und vor allem nicht mehr zeitgemäß. Dass er floppen
wird, weiß er diesmal schon vorher. Als Anfang 1984 Witts Favorit «Wieder bin
ich nicht geflogen» - seine bis dahin mit Abstand schwermütigste Komposition -
ausgekoppelt wird, ist ihm klar: Das war's erstmal. NDW vorbei, Witt vorbei. Er
zählt die verkauften Platten nicht mehr mit; es sind so wenige, dass nicht
einmal die eigentlich als limitierte Erstauflage gedachte Edition in blauem
Vinyl abverkauft wird. Joachim Witt, 35 Jahre alt, steht vor dem Aus.

«Goldener Reiter» hatte ihm drei Jahre zuvor zwar einen großen Batzen Geld
beschert, aber Joachim bringt seinen finanziellen Vorrat relativ schnell durch:
Große Wohnung, schnelles Auto, das neue Mischpult. Am teuersten kommt ihm der
Kauf eines Hauses in der portugiesischen Algarve zu stehen. Im Glauben, dass es
nach «Edelweiß» mit dem musikalischen Erfolg schon irgendwie weitergehen wird,
hatte er für das Anwesen im heutigen Touristenörtchen Carvoeiro einen Großteil
seines Vermögens ausgegeben. Der Absturz von «Märchenblau» ist Joachims
finanzieller Ruin, denn der «Reiter» bringt ihm durch die GEMA-Einnahmen gerade
so viel, dass er nicht wieder zum Amt muss. So weit, so schlecht, aber Witt
gibt nicht auf. Noch sind seine Ängste und Beklemmungen nicht halb so schlimm
wie zu den Zeiten vor «Silberblick», und Joachim beschließt, einen inzwischen
guten Freund zu kontaktieren: Klaus Voormann, der als Produzent von Trio
bewiesen hatte, dass man am Mischpult aus dem Slogan «Da da da» den Schlachtruf
einer ganzen Ära zaubern kann.

Voormann bringt Witt mit der Band Kowalski zusammen. Die vierköpfige Gruppe aus
dem Ruhrpott hatte mit ihrer aggressiven Mischung aus Wave, Industrial und Funk
während der Neuen Deutschen Welle zwar nur kleinere Achtungserfolge erzielt,
aber deutliche Spuren vor allem bei anderen Musikern hinterlassen. Gitarrist
Rüdiger Elze ist berüchtigt für seine bis zum Äußersten verfremdeten
Gitarrensounds, Drummer Rüdiger Braune spielt fast ausschließlich elektronische
Samplepads. Bassist Hans Bäär sorgt für Tiefen, die in den Magen gehen, Sänger
Uwe Fellensiek hämmert - wenn er nicht gerade am Mikro steht - auf
selbstgebastelte Percussioninstrumente ein. Joachim ist begeistert. Ihm gefällt
auch die Tatsache, dass Kowalski wegen ihres martialischen Auftretens immer
wieder missverstanden und sogar in die rechte Ecke gestellt werden, obwohl sie
eindeutig antifaschistische Texte verfassen. Das  Spiel mit der
Provokation wagt Joachim Witt deshalb auf dem Album «Mit Rucksack und Harpune»
zum ersten Mal auch visuell: Er lässt sich auf dem Cover mit schwarzer
Phantasieuniform vor einer gemalten Fliegerstaffel ablichten. Um die Message zu
entschlüsseln, muss die Hülle umgedreht und ganz genau betrachtet werden: Die
gemalten  Fallschirmspringer, die offensichtlich aus den Maschinen der
Vorderseite abspringen, tragen keine Waffen - sie halten Musikinstrumente in
den Händen.

Die Bilder stammen von den Vorhängen im «Inner Space»-Studio. Das
Krautrockstudio ist abermals der Aufnahmeort der Wahl, und Klaus Voormann

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