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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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behaarten Oberschenkel zu sehen. Er tat ihr weh, brachte sie zum Weinen.
    Sie würde die Soldaten dazu bringen, aufzuhören. »Arrêtez. Arrêtez. Maman. Maman.«
    Jemand hob sie hoch. Sie sah nur die blaue Jacke mit den Messingknöpfen, als er sie wegtrug.
    »Maman … «
    Schweißgebadet und frierend erwachte sie im Bett.
    Grey hielt sie in seinen Armen. »Du hattest einen Traum, nur einen Traum. Schlaf wieder ein.« Er redete französisch und zog die Decke höher, unter der sie beide lagen.
    Sie zitterte. »Später hat sie die Männer ausfindig gemacht, die Papa wehgetan hatten.« Sie war nur halb wach. Sie legte ihre Arme um Grey und schlief allmählich wieder ein. »Das hat sie mir einmal erzählt. Die Richter und die Soldaten aus Lyon. Die Männer, die Papa umgebracht haben. Sie hat sie während des Terrors aufgespürt, und sie haben mit ihrem Leben dafür bezahlt. Jeder Einzelne.«

34
    Galba zählte elf Schläge von der Uhr im Eingangsraum. Eine weitere Stunde war vergangen und immer noch kein Zeichen von Robert und den anderen.
    Im Arbeitszimmer gab es keine Uhren. Es war einer der Orte, an dem sie gelegentlich Gefangene unterbrachten. Daher gab es hier kein Glas, keine spitzen Gegenstände, Drähte, Federn, nichts, woraus man sich eine Waffe hätte basteln können. Sogar die mit Federn geschmückte und mit Bannern ausgestattete Armee von Schachfiguren, venezianisch und sehr alt, war aus Pappmaché.
    Seine Enkelin legte ihren Zeigefinger auf eine purpurrote Bischofsmütze. »Ich glaube, den Läufer ziehe ich nicht.«
    Er nahm an, dass sie mit der Dame vorrücken würde. Sie hatte sie kreuz und quer über das Brett gejagt, anstatt die Bauern, Springer und Türme zu ziehen. Sie ließ sich nur von ihrem Instinkt leiten und erledigte alles allein. Wenn sie in seinen Geheimdienst einträte, würde sie niemals Chefin einer Station oder Abteilung werden. Sie war keine zweite Carruthers. Und sie war eine lausige Schachspielerin.
    »Ich bin nicht so gut darin.« Sie schob die Dame vor. »Lieber würde ich Karten spielen.«
    »Du gewinnst aber manchmal beim Kartenspiel.«
    »Als ich dich kennenlernte, dachte ich, du hättest gar keinen Sinn für Humor…« Sie schaffte es, das nächste Wort herauszubringen, obwohl es ihr offensichtlich so dornig auf der Zunge lag wie eine Klette. » Grand-père . Doch jetzt glaube ich, dass dein Humor diabolischer Natur ist. Es ist wirklich kein Genuss, mit dir verwandt zu sein. Ich habe das Gefühl, die Enkelin eines dieser gewaltigen Monumente in Ägypten zu sein, deren Inschriften niemand lesen kann. Willst du mir etwa sagen, dass ich durch deinen dummen Bauern im Schach stehe?«
    Er hatte nun zehn Tage mit ihr verbracht. Sie bereitete ihm große Freude und erfüllte ihn gleichzeitig mit grenzenlosem Bedauern, dass er sie nicht schon als Kind gekannt hatte. Gelegentlich, wenn sie den Kopf zurückwarf, erkannte er seine Anna in ihr, seine schon vor langer Zeit verstorbene Frau. Sie hatte das Gesicht von Peter Jones, dem leidenschaftlichen Kämpfer, dem Träumer. Sie hatte Lucilles Charme, in jeder Hinsicht, und machte ihn doch zu ihrem ganz eigenen. Aber der kluge Kopf – dieser beherrschte, heitere und klar urteilende Verstand – den hatte sie von ihm. Sie und Robert würden außergewöhnliche Kinder haben.
    »Schach, Annique.«
    Er verstand sie schon recht gut, die Tochter seiner Lucille. Am Anfang hatte es ihn irritiert, dass sie eine so hervorragende Agentin und zugleich so völlig unbedacht sein konnte, offen und direkt. In zehn Tagen und trotz des ganzen Geschnatters hatte sich seine spontane, ungekünstelte und offenherzige Enkelin nie verraten. Nicht ein einziges Mal.
    »Nun.« Er wollte vermeiden, dass sie anfing, sich wegen Robert Sorgen zu machen. »Wir sprachen gerade über das Wesen von Geheimnissen, nicht wahr?«
    »Ja.« Sie ließ ihren Springer in seine Falle tappen.
    Er fiel aber nicht gleich über ihn her. Sie würde mehr daraus lernen, wenn sie Zeit bekäme, ihren Fehler zu erkennen, ehe er zog. »Wir waren uns doch darüber einig, dass man Geheimnisse zwar nicht anfassen kann, sie aber dennoch Handelswaren sind, nicht wahr? Dass man sie kaufen, verkaufen oder stehlen kann? Sie besitzen kann?«
    »Natürlich kann man sie besitzen.« Da. Dieses kurze Zucken ihrer Wimpern. Sie hatte gemerkt, dass ihr Springer dem Untergang geweiht war. Wahrscheinlich ahnte sie bereits, dass ihr Läufer die nächste Figur war, die er schlagen würde. Er würde dieser Frau das

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