Jodeln und Juwelen
‘nen
Taucheranzug an. Mit ‘nein langen Riss drin. Ich hab’ ihn gefragt, wo er
herkommt, aber er hat mich bloß angestarrt. Mir war sofort klar, dass es dem
armen Kerl nich’ gut ging. Er hatte ganz verschrumpelte Hände und blaue Lippen.
Und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Da hab’ ich Neil gerufen. Zusammen
haben wir ihm den Taucheranzug ausgezogen, ihn in ‘ne warme Decke gepackt und
heißen Kaffee in ihn rein geschüttet. Als er dann gehen konnte, haben wir ihn
hergebracht und ihm ‘n paar von meinen Sachen zum Anziehen gegeben. Bubbles
meint, dass sein Gedächtnis vielleicht wieder funktioniert, wenn er erst mal ‘ne
heiße Suppe intus hat, also versuchen wir’s gerade damit.«
»Warum has’ du Neil gerufen und nich’
mich?«
»Neil war in Hörweite, und Sie waren
drüben bei den Cottages.«
Vincent akzeptierte diese Erklärung
nicht. »Wir sprechen uns später, Ted. Mrs. Kelling, darf ich Ihnen Bubbles Ryan
vorstellen. Zeit zum Händeschütteln wird er ja wohl haben.«
»Ich möchte Sie auf keinen Fall bei der
Arbeit stören, Mr. Ryan«, sagte Emma.
»Bitte nennen Fie mich Bubblef, daf
machen alle«, erwiderte der Dicke. Emma verstand durchaus warum. Während er
seine Wörter lispelte, formten sich nämlich winzige kleine Bläschen an den
Ecken seines kleinen rosa Mundes. Er sah aus wie eine übergroße Version des
kleinen Kochs in der Reklame für Campbell’s Soup, die sie als Kind immer
bestaunt hatte.
»Herzlich gern, Bubbles, wenn ich darf.
Was zaubern Sie uns denn heute Abend?«
»Hummercremefuppe und Hühnchen mit
Fpargel. Wir machen immer waf einfachef am erften Abend.«
»Sehr vernünftig«, sagte Emma. »Ich
freue mich schon darauf. Aber ich möchte Sie hier nicht weiter stören, wir
unterhalten uns dann morgen früh.«
Bubbles sagte, daf fei fön, und rührte
weiter. Emma wandte sich an Sandys Freundin.
»Du bist sicher Bernice.« Bernice besaß
noch ihren Babyspeck und würde sicher noch mehr zulegen, wenn sie den ganzen
Sommer in Bubbles Küche zubrachte, dachte Emma. Das Mädchen hatte rote Wangen,
eine Stupsnase, leuchtend braune Augen und eine Frisur, die noch unordentlicher
aussah als Sandys. Ihr T-Shirt war grün und ebenfalls mit einem Schlumpf
dekoriert. Wie hatte Bernices Mutter es nur übers Herz gebracht, diesen süßen
kleinen Wonneproppen allein in die Ferien zu schicken? Vielleicht war sie
zusammen mit Mrs. Vincent auf Ausgrabungstour?
Neil saß neben Bernice. Er würde später
sicher seinem Vater ähnlich sehen. Emma hätte schwören können, dass der Junge
immer größer wurde, als er sich tapfer vor sie hinpflanzte, den Suppenlöffel,
den er in der Aufregung wegzulegen vergessen hatte, noch in der Hand. Er wirkte
genauso besorgt wie der andere Junge, den Vincent ihr als Ted Sharpless
vorstellte. Emma konnte Vincents Ärger verstehen. Egal in welchem Zustand der
angeblich Amnesiekranke auch gewesen sein mochte, es war höchst unvernünftig
gewesen, ihn einfach ins Haus zu bringen, ohne Neils Vater oder sie vorher um Erlaubnis
zu fragen.
Doch sie hatte nicht vor, das Problem
jetzt zur Sprache zu bringen. Die Küchenuhr zeigte kurz vor sechs, sie mussten
also schleunigst zurück in den Salon. Sie sagte, sie wünsche allen einen
glücklichen Sommer auf der Insel, und ging denselben Weg zurück, den sie
gekommen war, gerade noch rechtzeitig, um ihre Gäste zu begrüßen.
Alding Fath hatte als ältestes
Gruppenmitglied verständlicherweise die Rolle der Rudelführerin übernommen. Sie
hatte ihre solide Jeanskleidung gegen ein ebenso solides marineblaues Hemd
ausgetauscht, das mit kleinen roten Hähnen bedruckt war, und trug dazu eine
Kette aus roten Kunststoffperlen. Außerdem hatte sie marineblaue Strümpfe an,
kombiniert mit marineblauen Sandalen, wie sie Damen mittleren Alters gern auf Besichtigungstouren
trugen, wenn sie sich fein machen wollten. In der Hand hielt sie eine kleine
rote Tasche. Ihr kurzes graues Haar war sorgfältig gekämmt, ihr Gesicht dezent
zurechtgemacht, mit einem Hauch Puder und einer Spur Lippenstift. Sie wirkte kein
bisschen geheimnisvoll und schon gar nicht wie eine Betrügerin. Wahrscheinlich
gehörte genau das zum Erscheinungsbild einer Hellseherin, mutmaßte Emma.
Trotzdem war sie irgendwie erleichtert, dass es auf Pocapuk wenigstens eine
Person gab, die nicht viel anders aussah als die Damen vom Pleasauncer
Gartenclub.
Sämtliche Gäste hatten sich auf ihre
Art redlich Mühe gegeben, ihrer Ersatzgastgeberin am ersten
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