Jodeln und Juwelen
eintrudelten.
Der Hausmeister hatte anscheinend genau
dieselbe Idee, denn er war sofort zur Stelle, als sie den Fuß ins Wohnzimmer
setzte. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen, Mrs. Kelling?«
»Nein danke, noch nicht«, antwortete
sie. »Ich warte lieber, bis die anderen hier sind. Aber ich würde mich gern
kurz mit Ihnen unterhalten, wenn Sie die Zeit erübrigen können.«
»Klar kann ich das. Ich bin heute Abend
nur der Barkeeper.«
»Gut. Zuerst hätte ich gern gewusst, ob
Sie Mrs. Sabine schon angerufen haben, um ihr mitzuteilen, dass alle gut
angekommen sind. Falls nicht, würde ich das gern übernehmen. Sie müssen mir nur
zeigen, wie ich es bewerkstelligen kann.«
»Kein Problem. Sehen Sie selbst.«
Vincent fischte einen Schlüsselbund aus
der Tasche, zeigte ihr einen kleinen Messingschlüssel und steckte ihn in das
Schloss eines chinesischen Lackkabinetts, das Emma bis zu diesem Moment für
einen Barschrank gehalten hatte. Darin befand sich ein ganz gewöhnliches
Telefon, wenn man denn poliertes Messing und Perlmutt als gewöhnlich bezeichnen
konnte. Es funktioniere drahtlos über einen Sender auf dem Festland, erklärte
Vincent.
»Aber wie können Sie hören, wenn es
klingelt?« erkundigte sich Emma. »Das Holzschränkchen erstickt doch bestimmt
jedes Geräusch.«
»Richtig. Deshalb haben wir ‘ne
Nebenstelle in der Küche. Wenn jemand für Sie anruft, sagen wir Ihnen sofort
Bescheid. In der Küche ist immer jemand. Den Gäste verraten wir normalerweise
gar nicht erst, dass es ein Telefon gibt. Nur wenn’s unbedingt nötig ist. Wenn
sie es doch rausfinden, sagen wir immer, es muss eingeschlossen bleiben, weil
es sonst durch die feuchte Luft verrostet«, erklärte er. »Aber eigentlich ist
es nur hier drin, damit die Gäste Mrs. Sabine nicht arm telefonieren. Einigen
von denen ist das nämlich schnurzegal. Ich hab’ übrigens tatsächlich schon
angerufen. Mrs. Sabine schlief gerade, aber Mrs. Pence hat gesagt, dass sie
ihrer Mutter sofort Bescheid sagt, wenn sie wieder wach ist. Sie hat
versprochen, dass sie Ihre Familie anruft, damit Sie das nicht brauchen. Es sei
denn, sie wollen es selbst tun.«
»Dann kann ich mir den Anruf ja
sparen«, erwiderte Emma. »Kein Grund, hier die Telefonrechnung in die Höhe zu
treiben. Reichlich spät für ein Mittagsschläfchen. Hoffentlich hatte Mrs.
Sabine nicht wieder einen ihrer Schwächeanfälle. Hat Mrs. Pence etwas davon
gesagt?«
»Sie klang nicht gerade glücklich.«
Vincent auch nicht.
»Ach herrje.« Emma hätte gern eine
aufmunternde Bemerkung gemacht, doch ihr fiel nichts Passendes ein. »Nun ja,
wir müssen halt versuchen, sie nicht unnötig zu belasten, egal was hier auch
passieren mag. Sicher haben Sie nichts dagegen, wenn ich mich stattdessen an
Sie wende.«
»Dafür bin ich schließlich hier.«
»Ich nehme an, die Gäste sind zu ihrer
Zufriedenheit untergebracht. War einer von ihnen schon früher hier?«
»Nein, alles Neue.«
»Ich muss zugeben, dass ich ein wenig
verwirrt bin. Mrs. Sabine hat mir mitgeteilt, sie habe Dr. Wont das Aufstellen
der Gästeliste überlassen, doch irgendwie habe ich den Eindruck, dass sie ihn
gar nicht besonders gut kennt.«
»Vielleicht ist er mit ihrem
Schwiegersohn befreundet.«
Emma kannte Parker Pence ziemlich gut.
Er war Mitglied ihres Orchesters. Parker interessierte sich ausschließlich für
seine Familie, seine Geldanlagen, Golf, Bridge und seine Kesselpauke. Seine
Freunde waren entweder Mitglieder des Orchesters, des Bridgeclubs oder des Country
Clubs. Wont war möglicherweise einer von Parkers Kunden, aber auch das gab ihm
nicht das Recht, sich anzumaßen, die philanthropischen Wagnisse von Parkers
Schwiegermutter nach eigenem Gutdünken zu regeln.
Doch es stand ihr kaum an, mit
Adelaides Dienstboten über Adelaides Sommergäste zu sprechen, auch wenn dieser
salzgegerbte Koloss sehr wenig von einem Dienstboten hatte. »Ich möchte auf
keinen Fall Mrs. Sabines Entscheidungen in Frage stellen«, erklärte sie. »Ich
bin nur ein wenig beunruhigt darüber, dass sie anscheinend nichts von den
Gründen weiß, die Dr. Wont veranlasst haben, ausgerechnet diese Personen
einzuladen. Wissen Sie, dass er eine Schatzsuche plant?«
»Nein!« Vincent war genauso wenig
angetan von dieser Aussicht wie sie. »Was meinen Sie mit Schatzsuche?«
»Wenn das, was man mir auf der Fähre
gesagt hat, stimmt, soll Mrs. Fath mit Hilfe ihrer übersinnlichen Kräfte
feststellen, wo Pocapuks Piratenschatz vergraben liegt.
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