Jodeln und Juwelen
Tradition
fortgeführt.«
»Das ist ja wohl das wenigste«, sagte
Emma. »Die Leute haben Glück, dass sie Ihnen nicht bei der Hausarbeit helfen
müssen.«
»Oh, über mangelnde Hilfe konnte ich
mich nie beklagen. Es gibt immer genug Studenten auf der Suche nach einem
Sommerjob, und ich habe einen äußerst fähigen, sehr netten Hausmeister, der
sich einfach um alles kümmert. Vincent heißt er. Ein Freund von ihm bekocht uns
alle, und gemeinsam sorgen sie dafür, dass wir jedes Jahr genügend
Dienstpersonal haben. Sie wissen ja sicher selbst, wie schwierig es sein kann,
wenn man das Haus voller Gäste hat und dann von vorübergehend eingestelltem und
häufig unqualifiziertem Personal umgeben ist. Die ganze Zeit ist man damit
beschäftigt, ihnen zu erklären, was genau getan werden soll, und dafür zu
sorgen, dass es tatsächlich getan wird. Ich schaffe das in meinem Alter einfach
nicht mehr, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich es irgendwann
wieder kann. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm, zum alten Eisen zu
gehören, wenn man sich erst einmal an den Zustand gewöhnt hat. Aber Schluss mit
der Jammerei. Haben Sie auch etwas auf dem Herzen? Oder sind Sie wunschlos
glücklich?«
»Wer ist das schon! Ich muss leider
zwei ganze Monate lang ohne meine Heatherstones auskommen. Ihr Sohn hält sich
mit seiner Familie in England auf und hat seine Eltern eingeladen nachzukommen.
Die Gelegenheit konnten sie sich einfach nicht entgehen lassen. Ich hätte an
ihrer Stelle genau dasselbe getan. Aber ich fürchte, dass ich ohne die beiden
nicht sonderlich gut zurechtkommen werde. Mein Sohn Walter und seine Familie
wohnen den Sommer über bei mir. Bei ihnen hat es gebrannt, irgendein
Kurzschluss, Gott sei Dank steht das Haus noch. Aber Sie können sich
vorstellen, wie alles aussieht, der Rauch und das Löschwasser haben ziemlichen
Schaden angerichtet. Daher haben sie beschlossen, das Haus komplett renovieren
zu lassen und es möglichst schnell hinter sich zu bringen.«
»Dann sind Sie wenigstens nicht ganz so
allein.« Mrs. Sabine nahm sich noch ein winziges Stück von ihrem Törtchen. Emma
biss in ihr Shrimpsandwich und seufzte.
»Nein, an Gesellschaft mangelt es mir
wirklich nicht. Klein-Wally und Klein-Em haben unzählige Freunde, und all ihre
Cousins und Cousinen sind überglücklich, sie endlich in ihrer Nähe zu haben.
Ich liebe meine Familie zwar sehr, aber ich habe mir, ehrlich gesagt, schon
ernsthaft überlegt, ob ich nicht auf die Galapagos-Inseln flüchten soll. Oder
in die Antarktis. Ich hatte gehofft, ich könnte so lange in die Pension meiner
Nichte Sarah ziehen, aber das klappt leider nicht — Adelaide, mir kommt gerade
eine wunderbare Idee! Was halten Sie davon, wenn ich Sie auf Ihrer Insel
vertrete?«
Mrs. Sabine legte ihre Gabel auf den
Tisch und griff gerührt nach der Hand ihres Gegenübers. »Emma, meine Liebe,
etwas Besseres könnte mir gar nicht passieren! Ich wäre all meine Probleme auf
einen Schlag los! Aber wollen Sie sich das wirklich antun?«
»Adelaide, versetzen Sie sich bitte
einmal in meine Lage. Meine Schwiegertochter Kippy, so nennen wir Kristina
immer, ist in der Schweiz zur Schule gegangen. Ich finde es wirklich reizend,
dass sie dort Jodeln gelernt hat, sie scheint sogar ein richtiges Naturtalent
zu sein. Und ich kann auch sehr gut verstehen, dass sie Walter das Jodeln
beigebracht hat. Und als dann die Kinder kamen, konnte ich es gar nicht abwarten,
bis die süßen Frätzchen endlich ihr erstes Jodolahiti trällerten. Aber dass sie
sich jeden Morgen stundenlang anjodeln müssen, noch bevor ich meinen
Frühstückskaffee getrunken habe, wird mir doch gelegentlich ein klein wenig
viel.«
»Meine Güte! Jodeln sie denn
tatsächlich so viel?«
»Das ist nur die Spitze des Eisbergs«,
erwiderte Emma düster. »Sie haben vier Kakadus, die ebenfalls begnadete Jodler
sind. Selbst der Jagdhund würde liebend gern mitmachen, schafft es aber nicht
so ganz, wenn Sie verstehen, was ich meine. Muss ich noch mehr sagen?«
»Bitte hören Sie auf, ich kann nicht
mehr!« Mrs. Sabine konnte sich kaum halten vor Lachen und tupfte sich bereits
mit einem wunderschönen schneeweißen Leinentaschentuch, das schwach nach
Lavendel duftete, die Augen ab. »Ich muss zugeben, dass es Ihnen beträchtlich
schlimmer geht als mir. Oh, hören Sie doch, sie singen wieder!«
Das Löschfahrzeug parkte unmittelbar
vor dem Erfrischungszelt. Die Piraten von Pleasaunce waren alle an Bord und
sangen ein letztes
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