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Jodeln und Juwelen

Jodeln und Juwelen

Titel: Jodeln und Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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persönlich
würde es außen hellgrün streichen und unter allen Kiefern Gartenzwerge aus
Plastik aufstellen. Ich kann gut verstehen, warum Vincent das Bedürfnis hatte,
seine Kinder mitzubringen. Er versucht sich damit selbst weiszumachen, dass das
Haus nicht völlig tot ist. Er ist übrigens ziemlich fertig mit den Nerven,
falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte.«
    »Meinst du wirklich? Auf mich wirkt er
immer wie ein Fels in der Brandung.«
    »Selbst Felsen können bröckeln, meine
Liebe, wenn der Druck allzu lange anhält. Oder Risse bekommen, wenn die
Erschütterung stark genug ist.«
    Emma dachte einen Moment nach und
nickte. »Du bist feinfühliger als ich, Theonia. Wahrscheinlich macht Vincent
sich Sorgen darüber, was passiert, wenn Adelaide Sabine stirbt. Außerdem liegt
bereits ein Toter im Ponystall. Hat Max dir davon erzählt?«
    »Ja, und ich würde ganz gern einen
Blick auf den Mann werfen, wenn das möglich ist, ohne Aufsehen zu erregen. Ist
er denn noch nicht abgeholt worden? Max meinte, die Leiche würde heute Morgen
als allererstes fortgebracht.«
    »Das habe ich auch geglaubt, aber in
dem Sturm gestern Nacht ist das Boot von Vincents Bruder beschädigt worden,
daher konnte er nicht wie geplant kommen.«
    »Vincents Bruder?«
    »Lowell, der Hafenmeister. Sein Bruder
Franklin ist der ärztliche Leichenbeschauer oder wie immer man das hier nennt.
Vincent hat mir zu verstehen gegeben, dass Franklin sich kooperativ verhalten
wird, was die Todesursache betrifft.«
    »Ach ja? Scheint eine ziemliche
Dynastie hier zu sein. Welche Schuhgröße hast du, Emma?«
    Emma verstand den Wink und zeigte
Theonia ihre Garderobe. Theonia hatte sich bereits umgezogen und trug einen von
Emmas langen Röcken, eine blaue Baumwollbluse und flache Sandalen mit
Kreppsohlen, als Sandy mit frischem Kaffee, einem fußballgroßen
Heidelbeermuffin, hausgemachter Konfitüre und einem kleinen Stückchen Butter,
das man in ein Förmchen gepresst und mit dem Bild einer Kuh verziert hatte,
erschien.
    »Du solltest noch etwas überziehen«,
sagte Emma. »Die Luft ist recht kühl. Hier, nimm das.«
    Sie reichte Theonia spontan ihren Musselinschal
mit den riesigen Pfingstrosen. Er passte umwerfend gut zu dem langen, weiten
Rock und Theonias pechschwarzem Haarknoten. Theonia musterte die Halbzigeunerin
im Spiegel und kicherte.
    »Jetzt brauche ich nur noch ein paar
große goldene Ohrringe und einen Tanzbären. Vielleicht kann ich ein bisschen
Geld sammeln, indem ich wahrsage.«
    »Das kannst du bestimmt, wenn du Lust
hast«, sagte Emma. »Die offizielle Seherin der Expedition ist nämlich
unpässlich. Hat Max dir von Alding Fath erzählt?«
    »Ja, aber ich möchte, dass du mir alles
noch einmal erzählst. Wie wirkt die Frau auf dich, Emma?«
    »Wahrscheinlich ist sie eine
Schwindlerin, aber sie ist mir sehr sympathisch.«
    Während Theonia ihren Kaffee trank und
sich durch das Riesenmuffin arbeitete, berichtete Emma, was in der ersten Nacht
passiert war. »Was hältst du davon?«
    »Das kann ich erst sagen, wenn ich sie
kennen gelernt habe.« Theonia stellte ihre leere Tasse ab und betupfte
vorsichtig ihre Lippen mit der Serviette. »Ich möchte mir nur noch schnell die
Konfitüre vom Gesicht waschen, dann laufen wir zum Stall, bevor Vincent das
Dock repariert hat. Meinst du, das geht?«
    »Wir nehmen die Seitentür. Und den Weg
hinter dem Haus. Es ist nicht sehr weit.«
    »Ich habe einen Spaziergang ohnehin
dringend nötig, immerhin war ich von Lake Cochituate bis hier in dem
Pfützenspringer eingepfercht. Tweeters musste meine Hüften praktisch einfetten,
damit ich überhaupt noch in seinen Flieger passte.«
    Für den Fall, dass jemand sie
belauschte, unterhielten sich die beiden eindrucksvollen Damen detailliert über
Max Bittersohns multiple Frakturen, während sie durch das Haus gingen und
hinaus auf den federnden Kiefernnadelweg traten. Vom Wasser her wehte immer
noch eine steife Brise, so schien es nur natürlich, dass sie es vorzogen, auf
der Leeseite des Hauses spazieren zu gehen. Zu ihrer Erleichterung war in der
Nähe des alten Ponystalls niemand zu sehen. Vincent hatte die Tür mit einem
Vorhängeschloss gesichert, doch Theonia hatte eine Ahnung, dass er den
Schlüssel unter den Balken versteckt hatte. Die Ahnung stimmte.
    Der Tote lag immer noch ausgestreckt
unter der sauberen Pferdedecke auf den Planken, genau wie Emma ihn zuletzt
gesehen hatte. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Zigeuner religiöse Skrupel
hätten,

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