Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jodeln und Juwelen

Jodeln und Juwelen

Titel: Jodeln und Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Belanglosigkeiten. Everard Wont tauchte gegen viertel nach neun auf,
einigermaßen ansehnlich, aber nicht in Konversationsstimmung. Lisbet Quainley
erschien zehn Minuten später auf den allerletzten Drücker. Sie habe auf dem Weg
bei Alding Fath vorbeigeschaut, entschuldigte sie sich. Alding fühle sich immer
noch schlecht und benommen, daher habe sich Lisbet wieder zurückgezogen.
    Emma entschied, dass es auch für sie an
der Zeit war, sich zurückzuziehen. Sie wollte noch zu Alding Fath, doch vorher
musste sie nachschauen, ob die Mädchen Adelaides Schlafzimmer schon vorbereitet
hatten. Doch dann hörte sie ein Motorboot draußen auf dem Meer und beschloss,
als allererstes einen kleinen Spaziergang zum Dock zu machen. Sie hoffte
inständig, dass es Bruder Lowell war, der mit seinem inzwischen reparierten
Boot den Fremden abholen kam.
    Vincent war schon auf dem Pier und
befestigte eine Planke, die sich gelöst hatte. Plötzlich legte er den Hammer
beiseite und sprang überrascht auf. Dazu hatte er allen Grund. Das Motorboot,
das Emma zu hören geglaubt hatte, war in Wirklichkeit ein Wasserflugzeug, das
auf den unruhigen Wellen herumhüpfte und das Dock ansteuerte. Als Emma nach
unten eilte, um es zu begrüßen, das Päckchen mit dem Collier bereits in der
geräumigen Tasche ihres weiten Rockes verstaut, sah sie, wie die Flugzeugtür
geöffnet wurde und jemand Vincent eine Leine zuwarf.
    Das Flugzeug legte am Pier an. Eine
Laufplanke wurde nach draußen geschoben, ein Passagier trat heraus und griff
nach Vincents ausgestreckter Hand.
    Es war eine groß gewachsene,
majestätisch wirkende Frau, die ein schwarzweiß gemustertes Kleid und eine
weiße Jacke trug. Um ihren schwarzen Strohhut hatte sie einen roten Schal
geschlungen, die Enden flatterten munter im Wind. Außer Emma selbst gab es nur
eine einzige Frau mittleren Alters in Emmas Bekanntenkreis, die in der Lage
war, beim Aussteigen aus einem lächerlichen kleinen Flugzeug auf bewegter See
derart souverän an Land zu schweben.
    »Cousine Theonia!« Emma flog ihr
entgegen. »Wie lieb, dass du gekommen bist!«
    Eine geniale Lösung. Warum in aller
Welt hatte Emma nicht schon viel früher an Theonia gedacht? Mrs. Brooks Kelling
hatte schon mehrfach mit ihrem Gatten und auch mit Sarah und Max
zusammengearbeitet, wenn man ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten gebraucht hatte.
Sie war klug, einfallsreich und sehr viel zäher als sie aussah. Wer sonst würde
sich mit Alding Fath in deren Spezialgebiet messen können? Theonia war die
Tochter einer wunderschönen jungen Zigeunerin und eines Anthropologiestudenten,
der sich ein wenig zu intensiv auf sein Forschungsprojekt eingelassen hatte,
und hatte bereits als junges Mädchen alle Feinheiten der Wahrsagekunst
beherrscht.
    Die beiden Frauen umarmten sich und
rieben zärtlich ihre Wangen aneinander, mit genau der richtigen feinen Balance
zwischen echter Zuneigung und Rücksichtnahme auf das Make-up der anderen, die
so rührend anzuschauen und so angenehm zu erfahren ist. Vincent starrte sie
sprachlos an. Das war endlich etwas außerhalb der Routine. Emma tat der Mann
Leid.
    »Darf ich vorstellen: Mrs. Brooks
Kelling, und das ist Vincent, der eigentliche Herrscher von Pocapuk. Mrs.
Brooks wird ein paar Tage mit uns verbringen, Vincent. Ich habe gestern Abend
mit ihr telefoniert. Wie hast du es bloß geschafft, so schnell hier zu sein,
Theonia?«
    »Mir ist zufällig eingefallen, dass
Brooks Freund Tweeters Arbuthnot heute in Richtung Maine flog, um
Papageitaucher zu zählen, also habe ich ihn kurzentschlossen angerufen und mich
mitnehmen lassen. Mein Mann ist ebenfalls Ornithologe, Vincent, wenn auch kein
ausgesprochener Spezialist für Papageitaucher. Momentan befasst er sich vor
allem mit Ohrentauchern. Ich habe mich übrigens mit unserer lieben Freundin
Adelaide unterhalten, Emma. Sie fühlt sich ein klein wenig besser und bestellt
liebe Grüße. Ganz besonders herzlich soll ich Vincent grüßen«, fügte Theonia
hinzu, mit einem Lächeln, das den Herrscher der Insel fast aus seinen L. L. Bean-Schuhen
kippen ließ.
    »Ich muss Tweeters unbedingt Guten Tag
sagen«, meinte Emma, »ich habe ihn seit dem Tag, als er uns zu den
Dreizehenmöven gebracht hat, nicht mehr gesehen.«
    Bevor Vincent Gelegenheit hatte, sich
von der umwerfenden Wirkung zu erholen, die Theonia unvermeidlich auf alle
Männer ausübte, die ihr zum ersten Mal begegneten, eilte Emma bereits über die
Laufplanke, stieg in das Wasserflugzeug und begrüßte den

Weitere Kostenlose Bücher