Jodeln und Juwelen
sie einen elektrischen Buggy, wie sie von Adelaide erfahren
hatte, mit dem Gepäck, Vorräte und Gäste vom Dock abgeholt wurden.
Pocapuk war die letzte Anlegestelle auf
der Fährenroute, wurde allerdings nur nach vorheriger Absprache angefahren.
Somit würde Emma das Deck sicher bald für sich allein haben, es sei denn,
einige der Sommergäste waren zufällig ebenfalls an Bord. Emma würde es zu
gegebener Zeit herausfinden. Sie wählte einen Liegestuhl auf der Seite, die
ihrer Meinung nach während der Fahrt im Schatten liegen würde, und verstaute
Tasche und Reisetasche darunter. Dann sorgte sie dafür, dass der cremefarbene
breitkrempige Hut, der ihr schon so viele Sommer lang gedient hatte, vorn und achtem
sicher mit Hutnadeln verankert war, und machte es sich bequem.
Von ihrem Sitzplatz aus hatte Emma
einen guten, wenn auch langweiligen Blick auf die Docks und den Parkplatz. Das
Taxi, mit dem sie gekommen war, stand neben dem Fahrkartenhäuschen. Wahrscheinlich
wurde in Kürze eine andere Fähre erwartet, und der Fahrer hoffte wohl, einen
Fahrgast zu finden, der zurück zum Flughafen wollte. Momentan stand er neben
seinem Wagen, schwatzte mit einem Mann, der eine Schirmmütze trug und
zwischendurch immer wieder zu reden aufhörte und stattdessen wild mit den Armen
herumwedelte, um den Autos zu zeigen, wie sie zu fahren hatten. Ohne viel
Erfolg, soweit Emma sehen konnte.
Vielleicht unterhielten sich die beiden
über den Schatz von Pocapuk. Die Geschichte war eigentlich ganz interessant,
wenn auch für eine frisch gebackene Schlossherrin auf Zeit nicht gerade
beruhigend. Was würde passieren, wenn Schriftsteller und Maler Wind von der
Sache bekamen und begannen, Adelaides Blumenbeete umzugraben?
Aber warum sollten sie so etwas tun?
Keiner ihrer Vorgänger hatte es getan, sonst hätten die Sabines sicher keine
Sommergäste mehr eingeladen. Wahrscheinlich war die Geschichte ohnehin
erfunden. Emma kannte die Bücher von Edward Rowe Snow und wusste, dass so gut
wie jede Insel an der zerklüfteten Nordatlantikküste ihre eigene Geschichte
mitsamt Piratengold und Geisterwächtern hatte. Adelaide hatte sicher nichts
davon verlauten lassen, weil sie einen erfundenen Schatz nicht für
erwähnenswert hielt. Oder weil sie davon ausgegangen war, dass Emma die
Geschichte bereits kannte. Vielleicht hatte sie es auch nur vergessen.
Adelaides Gedächtnis war leider nicht mehr das beste.
Außerdem hatten sie viele andere Dinge
besprechen müssen. Die Zeit war ohnehin knapp bemessen gewesen, wenn man
bedachte, wie viele heiße Eisen Emma noch aus dem Feuer hatte holen müssen,
bevor sie endlich abreisen konnte. Das gesammelte Geld hatte ausgereicht, um
Feuerwehmann Bechleys Witwe und ihrer Familie über die ersten Hürden
hinwegzuhelfen und ihr zu zeigen, dass die Stadt hinter ihr stand. Die Bank
hatte sich großzügig bereit erklärt, die Hypothek unter günstigeren Bedingungen
weiterlaufen zu lassen, nachdem Emma, Cousin Frederick und Cousine Mabel, die
wichtigsten Kunden der Bank, ein paar ernste Worte mit dem Bankdirektor
gewechselt hatten. Mabel war zwar normalerweise nicht gerade hilfsbereit, ließ
sich jedoch nie zweimal bitten, wenn es darum ging, jemandem für einen guten
Zweck die Hölle heiß zu machen. Einige hiesige Ladeninhaber hatten der Familie
großzügige Einkaufsgutscheine zukommen lassen. Emma selbst hatte heimlich
tausend Dollar zum Ergebnis aus der Wohltätigkeitsveranstaltung dazugelegt,
Frederick weitere tausend. Cousine Mabel hatte einige sarkastische Bemerkungen
beigesteuert, mehr hatte ohnehin niemand von ihr erwartet.
Die Fähre war startklar, die Sirene
schrillte, die Laufplanke wurde eingeholt. Die großen Tore im Schiffsrumpf
wurden geschlossen und gesichert, die Matrosen warfen die dicken Taue von den
Pollern, die Schiffsschrauben begannen, das Wasser aufzuwühlen. Am
Fahrkartenhäuschen redete Emmas ehemaliger Taxifahrer immer noch wie der Alte
Seemann in Coleridges berühmter Ballade auf sein Gegenüber mit der Schirmmütze
ein. Vielleicht war er der Meinung, dass er für heute genug verdient hatte,
dachte Emma. Es war dumm von ihr gewesen, ihm so ein fettes Trinkgeld zu geben.
Oh je, jetzt hatte er sie auch noch
entdeckt. Er brüllte dem anderen Mann etwas ins Ohr und zeigte dabei viel
sagend zu ihr hoch. Oder zeigte er etwa auf die alte Reisetasche, die ihr
momentan als Fußschemel diente? Es war zwar albern, aber Emma wünschte sich von
Herzen, der Verschluss wäre nicht ausgerechnet in
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