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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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Magie, mit den Toten quatschen. Die meisten Menschen kommen nicht mit so ’ner Macht auf die Welt.«
    Mr.   Church seufzte. »Gebt mir ehrliche Poltergeister, einen Vampir, der nach Blut lechzt, Kobolde, die Kinder fressen   … das ist eher mein Metier. Nicht dieser gewaltige, unauslotbare kosmische Wahnsinn. Diese Entitäten sind so alt und fremdartig, dass wir nicht einmal ansatzweise begreifen können, wie sie denken und was sie antreibt.«
    »Weshalb befassen Sie sich dann überhaupt damit?«, fragte Molly.
    Mr.   Church betrachtete seine erloschene Pfeife und setzte sie nach kurzem Zögern in einen kleinen Ständer auf seinem Schreibtisch.

    »Ja, wieso?«, erwiderte er und schob den Sessel zurück. »Folgen Sie mir, Molly. Ich muss Ihnen etwas zeigen. Joe, würden Sie uns ebenfalls begleiten?«
    Auch Joe stand auf und stellte den Sessel wieder an seinen alten Platz. Molly folgte Mr.   Church in den Korridor und dort bis an die Rückseite des Gebäudes. Sie wollte ihn nicht kränken, aber sie hielt einen gewissen Abstand zu ihm. Der Ölgeruch, den er verströmte, und die Dampffahnen, die ihm gelegentlich aus den Nasenlöchern pfiffen, flößten ihr deutlichesUnbehagen ein. Blickte man auf seinen Rücken, entdeckte man gleich unterhalb der Schulterblätter eigentümliche Vorsprünge unter seiner Kleidung. Molly wusste es nicht zu erklären, doch was sie sah, ließ keinen anderen Schluss zu: In Mr.   Churchs Körper steckte irgendein Mechanismus.
    Hat er dadurch so lange überlebt? , fragte sie sich. Erst bei dieser Frage begriff sie, wie umfassend sie ihm mittlerweile Glauben schenkte.
    Mr.   Church führte sie zu einer verzierten Tür. Kunstvoll waren Lilien mit Blattgold in die Holzfüllung eingesetzt, und zwei fast undurchsichtige Milchglasscheiben eröffneten eine Ahnung von dem, was dahinter lag.
    Joe öffnete die Tür. Ein Metallgatter wurde sichtbar, hinter dem Molly das Innere einer alten Aufzugkabine entdeckte. Joe schob das Gatter beiseite und hielt es fest, während Molly und Mr.   Church in die Kabine stiegen. Dann schloss der hünenhafte Mann das Gatter, verriegelte es und zog einen Hebel, der den Aufzug zum Leben erweckte. Rasselnd stiegen sie in die Höhe.
    »Verraten Sie mir eines, Molly«, sagte Mr.   Church. »Joe und ich   – und mehrere Kanalratten, die ich regelmäßig beschäftige   – haben in den vergangenen Jahren viel Zeit damit verbracht, Felix Orlovs Kommen und Gehen zu beobachten. Früher einmal besuchte er seine Klienten und Bekannten weitab von seinem Theater. Aber seit Sie bei ihm wohnen   …«
    »Das tue ich gar nicht«, widersprach sie. »Ich habe meine eigene Wohnung. Ich bin seine Assistentin.«
    »Also gut«, sagte der alte Detektiv, während der Aufzug sich langsam nach oben arbeitete. »Seit Sie seine Assistentin sind, hat Orlov das Theater immer seltener verlassen.«
    »Er geht kaum aus dem Haus«, gab Molly zu.
    »Fast nie«, sagte Joe und fuhr sich mit den Daumen unter den Hosenträgern entlang. »Er geht aber ungefähr jeden Monat zu diesem Friedhof in Brooklyn Heights.«
    Molly runzelte die Stirn. Es gefiel ihr nicht, dass diese Leute sie und Felix seit langer Zeit beobachteten und sogar wussten, wann Felix das Haus verließ. Brooklyn lag größtenteils unter Wasser, und von Brooklyn Heights war nur ein Friedhof von siebenhundert Acres übrig. Das Gelände über der Wassergrenze hatte einmal einen Park und ein kleines Wohngebiet beherbergt, aber während der Seuche, die noch vor der Flut gewütet hatte, waren die Häuser an den Außenbezirken des Friedhofs enteignet und abgerissen worden, um Platz für die Leichen der Opfer zu schaffen. Nach Felix’ Erzählung waren die Hausbesitzer nur zu gerne weggezogen; niemand wollte in der Nähe so vieler Seuchentoter wohnen. Ehe die Stadt den Friedhof schloss, wurden von Zeit zu Zeit noch andere Leichen dort beerdigt   – vor allem Verrückte und Selbstmörder.
    »Wir wissen, dass er auf Brooklyn Heights das Grab seiner Mutter besucht«, sagte Mr.   Church, als der Fahrstuhl mit einem Unheil verkündenden Schütteln und einem protestierenden Ächzen der Seile abbremste. »Haben Sie je deutliche Verhaltensänderungen bei ihm bemerkt?«
    Rasselnd kam der Aufzug zum Stillstand. Joe rastete den Hebel in der Aus-Stellung ein, entriegelte das Metallgatter und schob es auf.
    »Ist er mal weggegangen und benahm er sich ’n bisschen anders, als er wiederkam?«, fragte Joe. Seine barsche Stimme hob sich schroff von Mr.

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