Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
Vom Netzwerk:
des alten Mannes, der auf dem Boden lag, regte sich nicht mehr. Alle Geister hatten Simon Churchs Studierzimmer verlassen.
    Auch sein eigener.

----
Kapitel 16
    M olly wollte nach Hause. Das Problem war nur, dass sie nicht wusste, ob sie noch ein Zuhause hatte. Sie lag auf einer schmalen Koje am Mittelgang, die Fußgelenke festgebunden, die Handgelenke auf den Rücken gekettet. Im U-Boot war es so beengt, dass Molly ein Gefühl der Klaustrophobie befallen hatte. Sie bezweifelte, dass die Gas-Männer die gleichen Empfindungen hatten wie normale Menschen, aber sie wusste nicht, wie menschliche Wesen es aushalten konnten, in diesem bedrückenden Fahrzeug unter die Wasseroberfläche zu tauchen.
    Nicht dass Molly nach Fragen zumute gewesen wäre oder dass sie geglaubt hätte, die Menschen an Bord des U-Boots würden ihr antworten. Die Gas-Männer hatten sie an Bord gezerrt, aber sie waren genauso Passagiere wie Molly. Das U-Boot hatte seinen eigenen Kommandanten samt Mannschaft, Männer in düsteren grauen Uniformen mit seltsamen Abzeichen. Ihr fahler Teint und die gutturale Redeweise erweckten in Molly den Eindruck, als gehörten sie der Kriegsmarine irgendeines südosteuropäischen Landes an.
    Sie fragte sich, wie es kam, dass diese grauen Menschen für Dr. Cocteau arbeiteten. Waren sie aus ihrem Land geflohen und verdingten sich als eine Art Piratenmannschaft? Oder hatte Cocteau ihre Regierung dazu gebracht, ihm ein Boot mit Besatzung zur Verfügung zu stellen? Nach ihren Erlebnissen an diesem Tag erschien Molly nichts mehr unmöglich.
    Im Augenblick hatte sie nur ihre eigenen Gedanken und ihre Fantasie als Gesellschaft. Die Kojen an Bord des U-Boots waren winzig und konnten aus dem Weg geklappt werden, und die Gas-Männer hatten Molly ohne viel Federlesens auf einer dieser Kojen abgelegt. Jeder, der das U-Boot nach vorn oder achtern durchqueren wollte, musste sich an ihr vorbeidrücken oder die Koje aus dem Weg klappen, wodurch sie in den Rumpf gerollt wäre, weil ihre Hände gefesselt waren und sie sich nicht abfangen konnte.
    Niemand achtete auf sie   – die Gas-Männer nicht und schon gar nicht die graue Besatzung mit ihrer klamm aussehenden Haut und den Augen mit den schweren Lidern. Molly hatte viele Rauschgiftsüchtige gesehen, und die Schweißperlen, die auf ihren Gesichtern standen, waren ihr nur allzu vertraut.

    Auf der harten Koje schauderte sie vor Kälte, die von der stählernen Bootshülle hinter ihr ausging. Das tiefe Wasser des Flusses war eisig, und Molly fror mit jedem Augenblick stärker. Gas-Männer und U-Boot-Fahrer gingen an ihr vorbei, aber Molly wollte niemanden um eine Decke bitten; sie wäre ohnehin nicht beachtet worden. Die Kreaturen nahmen sie kaum wahr, achteten nicht einmal darauf, dass sie keinenFluchtversuch unternahm. Wie hätte sie das auch anstellen sollen? Sie war an Händen und Füßen gefesselt und befand sich in einem U-Boot am Grund des eisig kalten Flusses, umzingelt von Kreaturen, deren Menschlichkeit durch Magie pervertiert worden war, und Männern, die wirkten wie wandelnde Tote.
    Und selbst wenn sie gekonnt hätte   – wohin hätte sie fliehen sollen?
    Sie dachte an Joe, der sie so freundlich behandelt hatte, warmherzig auf seine stille, manchmal lustige Art, und der jetzt tot neben dem Grab des Okkultisten auf dem Friedhof lag. Ja, er war ganz bestimmt tot. Er war von vielen Kugeln getroffen worden, und Molly hatte schrecklich viel Blut gesehen.
    Armer Joe , dachte sietraurig.
    Doch mit jedem Augenblick, den sie sich an Bord des U-Boots befand, wurde Mollys Trauer um Joe zunehmend von der Angst überschattet, was ihr zustoßen würde, sobald die bedrohlich stille Besatzung ihr Ziel erreichte, wo immer es sein mochte.
    Molly lag auf der Seite und lauschte auf Stimmen, auf irgendein Gespräch, das ihr vielleicht einen Hinweis lieferte, was sie erwartete. Brachten sie sie zu Felix? Wenn ja, bestand Hoffnung. Sobald Molly ihn sah, sobald sie die Gelegenheit bekam, mit ihm zu reden, würden sie einen Ausweg finden, daran zweifelte sie keinen Augenblick. Er war schließlich Orlov der Beschwörer.
    Vor Kälte zitternd, mit klappernden Zähnen, klammerte Molly sich an diesen Hoffnungsschimmer.
    Sie zwang sich zu atmen und abzuwarten. Zuerst versuchte sie ihr Zittern zu unterdrücken, beschloss dann aber, es gar nicht zu beachten. Dass sie die Kälte spürte, konnte sie nicht ändern, aber ihre Angst konnte sie in den Griff bekommen. In ihrem Leben   – besonders in der

Weitere Kostenlose Bücher