Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
Vom Netzwerk:
schwitzten Feuchtigkeit aus. Molly wand sich herum und versuchte, einen besseren Blick auf ihre Umgebung zu bekommen, nur für den Fall, dass sie mit Felix hier entlang musste, wenn sie flohen.
    Sobald sie Felix gefunden hätte, sobald sie im gleichen Raum waren, war Mollys erstes Ziel erreicht, und sie konnte sich daranmachen, auf das zweite hinzuarbeiten: Felix zu befreien und irgendwie wieder an die Oberfläche zu kommen.
    Wenn er noch lebt , dachte sie. Wenn er noch bei Verstand ist. Die letzten Sekunden der Séance mit den Mendehlsons drängten sich in den Vordergrund ihrer Gedanken. Was war mit Felix geschehen, unmittelbar bevor die Gas-Männer ins Zimmer gestürmt waren? Was immer es gewesen sein mochte – hatte es ihn umgebracht? Und falls nicht   – hatte es sein Gehirn geschädigt und ihn auf irgendeine Weise gebrechlich gemacht?
    Ruhig , ermahnte sie sich. Du wirst es erfahren, wenn du ihn siehst. Sie hoffte nur, dass es bald der Fall war.
    Die Gas-Männer stiegen die Wendeltreppe hoch. Ihre Kleidung raschelte und flatterte dabei. Als Molly den Körper verdrehte, um nach oben blicken zu können, sah sie den kleinen Buckligen, der sich beinahe die Treppe hinaufziehen musste. Er kroch zwei Stufen über dem Gas-Mann, der sie trug. Abscheu erfasste Molly. Die Gas-Männer weckten eine urzeitliche Angst in ihr   – die natürliche Reaktion auf Wesen, die widernatürlich waren. Dieser bucklige Schleicher jedoch ängstigte Molly am meisten, weil er etwas Primitives an sich hatte.
    Von oben kam ein lautes Scheppern, gefolgt vom Quietschen von Scharnieren. Sie erreichten einen Treppenabsatz. Die Gas-Männer durchquerten nacheinander eine kleine Tür, die nach einer druckfesten Luke aussah. Als Molly nach hinten blickte, entdeckte sie, dass die Wendeltreppe weiter nach oben führte.
    Dann duckte sich der Gas-Mann, der sie trug, durch die Öffnung, und mit einem weiteren Scheppern schloss sich die Luke hinter ihr. Ein anderer Gas-Mann drehte das Rad, das die Luke abdichtete. Molly wurde unsanft abgesetzt. Nun kamen die anderen Gas-Männer näher und öffneten ihre Handschellen und den Lederriemen um ihre Fußgelenke. Mollys Handgelenke schmerzten, und ihre Fußknöchel waren wund gerieben, doch ihre Hände und Füße prickelten, als das Blut wieder ungehindert fließen konnte.
    An den Ufern und auf den Brücken der Versunkenen Stadt, unter Kanalratten und abgehärteten Überlebenskünstlern, hatte Molly zu schauspielern gelernt. Sie verstand es, den Eindruck von Gleichmut zu erwecken, hatte aber auch den Wert einer scharfen Zunge zu schätzen gelernt. Doch als die Gas-Männer sich in einem Halbkreis um sie scharten und sie musterten, fand sie diese Fähigkeiten doch recht nutzlos. Welche bissige Bemerkung sollte ihr weiterhelfen? Es gab keine.
    Nachdem die Luke hinter ihr geschlossen war, blieb nur ein Weg offen. Molly ging voran und rieb sich Hände und Handgelenke, während sie dem Korridor folgte. Sie bog um eine Ecke und entdeckte vor sich eine weitere Luke, die ein einzelner Gas-Mann bewachte. Als er sie kommen sah, drehte er das Rad an der Luke, öffnete sie mit kreischenden Scharnieren und hielt sie Molly auf, als wäre er der Leibdiener einer Königin. Molly zögerte einen Augenblick, dann trat sie hindurch.
    Auf der anderen Seite der Luke erstarrte sie.
    Der Saal vor ihr wirkte unmöglich groß für eine Räumlichkeit unter Wasser. Die konkave Decke strebte zu einer Höhe von vierzig Fuß oder mehr empor; das gegenüberliegende Ende des Saals konnte Molly nicht genau erkennen. Gewaltige Rohre ragten in eigentümlichen Winkeln aus Wänden und Decke und erinnerten sie an das U-Boot. Die Rohre verzweigten sich und waren verdreht, trafen sich manchmal zu offenbar sinnlosen Knoten und trennten sich wieder, als wäre der ganze Saal ein fremdartiges, gewaltiges Musikinstrument. Flansche und Schweißnähte waren mit rostigen Schrauben gespickt, auf denen Kondenswasser glänzte. Trübe Lampen leuchteten in regelmäßigen Abständen wie ferne Lagerfeuer an den Wänden und zwischen den verschiedenen Maschinenanlagen und tauchten den gesamten Saal in eine Kaskade ausfremdartigen Schatten, die auf mehr Einzelheiten hindeuteten, als die Lampen zum Vorschein brachten.

    Die Wände schienen zu schwitzen. Ratternde Maschinen stießen keuchend Dampf aus oder pochten wie gewaltige Herzen. Doch was Molly am meisten erstaunte, waren weder die Maschinen noch der allgemeine Eindruck von Schmutz und Vernachlässigung, sondern

Weitere Kostenlose Bücher