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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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aus Erheiterung und Herablassung. Dann sagte er etwas in seiner kehligen Sprache, das Molly nicht verstand. Sie hob trotzig das Kinn, bereit zu kämpfen, wenn es sein musste, doch da öffnete sich die Luke, gegen die sie sich stützte, und sie stürzte hindurch und schlug hart auf. Mit dem Hinterkopf knallte sie auf den Boden, und wieder durchraste sie Schmerz.
    Zwei Gas-Männer beugten sich über sie. Die schwarzen Linsen ihrer Masken verbargen jeden Anschein von Menschlichkeit, falls sie überhaupt so etwas besaßen. Lautlos bis auf ihr Atmen neigten sie gleichzeitig den Kopf nach links, als teilten sie einen Gedanken. Der bucklige kleine Gas-Mann schlich hinter ihnen herbei. Seine Brust hob sich mit seinem kränklichen, pfeifenden Atem.
    Mollys Entschlossenheit bröckelte.
    »Was habt ihr mit mir vor?«, rief sie ängstlich, flehend.
    Sie hoben Molly vom Boden auf und trugen sie über den Gang denWeg zurück, den sie gekommen waren, als sie das Mädchen an Bord gebracht hatten.
    Was immer ihr Ziel gewesen war, sie hatten es erreicht.

    Die Gas-Männer schoben Molly durch das Turmluk, Hand über Hand, als wäre sie ein altes, abgewetztes Gepäckstück. Auf der Turmplattform blinzelte sie überrascht ob der grellen Lampen, die eine lange, rohrförmige Kammer erhellten, die früher offenbar zu einem U-Bahn-Tunnel gehört hatte. Die Enden waren mit Granit und Mörtel verschlossen worden, der auf irgendeine Weise wasserdicht gemacht worden war, denn als sie sich umschaute, entdeckte sie zu ihrem Erstaunen, dass das U-Boot hoch und trocken in der Luft hing.
    Ein großer, breitschultriger Gas-Mann warf sie sich über die Schulter. Sie spürte, wie der Rand seiner Maske ihr in die Seite stach, aber sie empfand keinerlei Versuchung, ihm die Maske herunterzureißen. Wenn man bloßlegte, was sich in den Gummianzügen der Gas-Männer verbarg, setzte man fremdartiges gelbes Nebelgas frei. Molly hätte dadurch vielleicht eine Gelegenheit zur Flucht bekommen, aber zu wem hätte sie fliehen sollen? Felix wäre hier, wenn er noch lebte. Was immer ihr bevorstand, die Antworten fand sie hier.
    Eine Gruppe aus Gas-Männern und U-Boot-Fahrern überquerte eine stählerne Gangway, die herangerollt worden war und das Deck des U-Boots mit einem breiten Sims verband, der wie ein Balkon an einer Seite der Kammer entlangführte. Da der Gas-Mann sich Molly über die Schulter gelegt hatte, konnte sie einen perfekten Blick nach unten werfen. Ein schmales Rinnsal folgte tief unter ihr den U-Bahn-Gleisen. Riesige Metallklammern hielten das U-Boot von beiden Seiten an Ort und Stelle, und eine Art Plattform stützte es von unten. Molly begriff nichtsofort, wie das möglich war, doch dann wurde ihr klar, dass das U-Boot gar nicht an die Oberfläche gestiegen war. Vielmehr war es durch eine Art Tür, die jetzt geschlossen war, in diese Kammer gelangt. Nachdem die Klammern und Stützen das Boot hielten, hatte man die Kammer leer geblasen. Das Rinnsal war das Wasser, das übrig geblieben war.
    Sie waren noch immer tief unter Wasser, tief unter der Versunkenen Stadt.
    Die grau uniformierten Besatzungsmitglieder blieben auf der Plattform stehen und ließen die Gas-Männer vorbei; ihre Arbeit war getan. Mit ihrem ungesunden Aussehen und ihren anzüglichen Blicken hatten sie Molly nervös gemacht, aber wenigstens konnte man ihre Gesichter erkennen und wusste, dass sie Menschen waren. Als sie durch eine bogenförmige Stahltür getragen wurde, beobachtete sie, wie die Uniformierten über die Gangway zurück zu ihrem Boot gingen. Molly fragte sich, ob sie gerade die letzten gewöhnlichen Menschen zurückließ.
    Ehe die Tür sich scheppernd schloss, erloschen die hellen Lichter im U-Boot-Trockendock. Alles war schlagartig in Finsternis gehüllt, doch kein einziges Besatzungsmitglied schrie auf. Molly stellte sich vor, wie sie alle wie Ratten zurück ins Loch huschten, und ihr wurde klar, dass ihr letzter Blick auf einen gewöhnlichen Menschen einem stämmigen Detektiv gegolten hatte, Joe, der auf dem Friedhof von Brooklyn Heights im Regen am Boden lag. Was immer von nun an geschah, sie würde nicht den Fehler begehen, es für gewöhnlich oder für menschlich zu halten.
    Der Gas-Mann trug sie eine eiserne Wendeltreppe hinauf, die in das Grundgestein gehauen zu sein schien; vielleicht war sie ursprünglich für Gleisarbeiter der frühen New Yorker U-Bahn gebaut worden. Über ihren Köpfen brannten Glühbirnen in Käfigen aus Maschendraht, und die Wände

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