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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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Ritual herausgefunden hatte, mit dem die Stadtältesten dem Golem Leben eingehaucht hatten. Mit trockenen, vergilbten Fingern blätterte er trockene, vergilbte Seiten um und achtete nicht auf die Tröpfchen schwarzer Flüssigkeit, die in das geöffnete Buch fielen.

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Kapitel 15
    J oe spürte, wie ihm Wasser übers Gesicht lief. Die Strömung umfing ihn sanft und wiegte seinen Kopf sacht hin und her, was ihm merkwürdig vorkam. Zuerst glaubte er, er wäre von Geistern umgeben aufgewacht und treibe nun auf einer Wolke des Friedens dahin, als die er das Jenseits betrachtete. Doch beim ersten Versuch, sich zu bewegen, legte sich ein furchtbares Gewicht auf ihn, als wäre er lebendig begraben worden. Panik flackerte in ihm auf.
    Als er die Augen aufriss, sah er nur gestaltlose Dunkelheit, doch er spürte die Kälte des strömenden Wassers, und ihm wurde klar, dass er ertrank.
    Joe stemmte sich gegen das Gewicht, das auf ihn drückte, und richtete sich mühsam auf. Mit einer Hand ertastete er das glatte Metall einer Bahnschiene. Er zog sich daran aufrecht, hielt den Atem an und fragte sich, welches schreckliche Gewicht ihn umschloss und ihm das Schwimmen unmöglich machte. Wie sollte er in dieser Finsternis seinen Weg finden, wenn er sich nur an fernen, schemenhaften Umrissen orientieren konnte?
    Joe stand steif auf dem verrostenden U-Bahn-Gleis, einen Fuß aufder Stahlschiene, und fragte sich, wie lange er hier gelegen hatte, tot oder beinahe tot. Und hatte er die ganze Zeit die Luft angehalten, oder hatte er das salzige, metallisch schmeckende Flusswasser geatmet? Aber wie sollte das möglich sein?
    Er atmete ein, und ein Schwall Flusswasser rauschte ihm in die Lunge. Er atmete wieder aus und spürte, wie ihm das Wasser von den Lippen lief. Dann schloss er den Mund und stellte das Atmen ganz ein. Er bemerkte kaum einen Unterschied.
    Er brauchte nicht zu atmen.
    Wie kann das sein? , fragte er sich benommen. War er gestorben und als Zerrbild menschlichen Lebens wiedererweckt worden? Das Denken fiel ihm schwer, und er schlug sich mit der Handfläche gegen den Kopf, wütend darüber, dass seine Erinnerungen so bruchstückhaft waren.
    Da war ein Mädchen gewesen, Molly. Sie waren auf einem Friedhof. Die Killer waren in ihren Gasmasken gekommen und hatten das Mädchen entführt   …
    Joe runzelte die Stirn, durchforstete sein Gedächtnis. Die Gas-Männer hatten das Mädchen mitgenommen und noch etwas   … etwas Wichtiges.
    Eine finstere Feindseligkeit braute sich in ihm zusammen, als er an die Kreaturen dachte und ihre Brutalität gegenüber dem Mädchen. Und mich haben sie erschossen , dachte er und erinnerte sich an die Pistolen und die Kugeln. Sie haben mich abgeknallt.
    Joes Hände bewegten sich über seinen Körper und betasteten die Stellen, wo die Kugeln ihn getroffen hatten. Das schreckliche Gewicht, das auf ihm lastete, verlangsamte jede seiner Bewegungen. Trotz der beengenden Finsternis des überfluteten Tunnels konnte er sehen, wenn auch schlecht. Seine Finger scharrten über etwas Hartes, Raues. Er hielt sich eine Hand vor die Augen und zog sie näher, um sie besser erkennen zu können. Entsetzt starrte er auf seine geschundenen Finger. DasFleisch war zerrissen und hing in Fetzen von den Knochen. Die Zeit, die er im Wasser verbracht hatte, hatte die Haut schrumpeln lassen. Dennoch spürte er keinen Schmerz.
    Neugierig drückte er mit den Fingern der Linken gegen die rechte Hand. Beide Hände waren zerstört. Ein großes Stück Haut war vom Handrücken abgeschält und zeigte dunkle, raue Haut darunter.
    Was ist das? , fragte er sich. Als er die Haut betastete, wuchs seine Furcht, denn sie ließ sich ganz leicht abstreifen. Bald   – er konnte nicht aufhören   – hatte er den größten Teil der alten Haut abgezogen und die grauen Hände, die darunter waren, freigelegt. Sie waren rau, mit harten Kanten. Joe kannte sie aus seinen Träumen. Riesig und mächtig, aus Stein und Lehm geformt, hatten diese Hände hundert und mehr Hexen getötet.
    Nein, nein , dachte er und wich zurück, als könnte er seinen eigenen Händen entkommen. Das kann nicht sein.
    Sein rechter Fuß schlug gegen das Geländer. Das widerhallende Geräusch wurde vom Wasser gedämpft, war aber hörbar: Stein auf Metall. Joe schüttelte den Kopf und spürte sein Gewicht. Er war nicht lebendig begraben worden. Der Stein und die Erde, deren Last er spürte, waren in ihm. Er wusste, zu welch seltsamer, nutzloser Hülle sein Fleisch geworden

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