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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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Größen und Formen gab, durch die man in die Tiefen der Versunkenen Stadt blicken konnte. Es hätte irgendeine unterirdische Höhle sein können, vom Fluss überflutet, oder der Grund des Flusses selbst. Fische schwammen draußen vorbei. Einige von ihnen wirkten beunruhigend groß, als stamme das Fensterglas von einem Zerrspiegel auf dem Jahrmarkt.
    Felix’ Traum , dachte Molly.
    Ihr Blick fiel wieder auf die Operationstische, und sie erschauerte.Sie konnte unmöglich dort sein, wo Andrew Golnik beinahe Felix’ Mutter ermordet hätte, während sie ihren Sohn noch im Schoß trug. In dem Raum hatte eine Art Opferaltar gestanden, kein Operationstisch, da hatte Mr.   Church sich klar ausgedrückt. Trotzdem konnte kein Zweifel bestehen, dass Felix in seinen Träumen irgendwie Vergangenheit und Zukunft vermischt hatte, eine Vergangenheit, an die er sich schlichtweg nicht erinnern konnte , und eine Zukunft, die nur ein Wahrsager hätte vorhersehen können.
    Der breitschultrige Gas-Mann schob Molly vor. Sie spürte ein Prickeln auf der Haut; es kam von der Angst und der kalten, feuchten Luft, die sie zu umfangen schien.
    Der bucklige Schleicher kam hinter der Wasserkugel hervor, neigte erwartungsvoll und ungeduldig den Kopf und huschte wieder außer Sicht. Weil die Gas-Männer hinter Molly nach vorn drängten, blieb ihr keine andere Wahl, als weiterzugehen. Am liebsten hätte sie die Füße in den Boden gestemmt und wäre nach kurzem Kampf geflohen, um nicht sehen zu müssen, was sie am Ende dieser schrecklichen Odyssee erwartete. Dann aber dachte sie an Felix, wie er von den Gas-Männern über die Kante des Gehstegs vor dem Theater ins Wasser der 29 th Street gezerrt worden war.
    Molly wappnete sich und marschierte im Bogen um die Sphäre herum. Im Wasser rührte sich irgendetwas, und einen Augenblick lang glaubte sie am Grund eine Kette zu sehen, ehe diese wieder in die Trübnis zurückgezogen wurde.
    Die Gas-Männer waren hinter ihr hergestapft, begleitet von lauten Atemgeräuschen aus den Masken, doch jetzt wurden sie langsamer und senkten die Köpfe wie gut abgerichtete Hunde. Dann wurde das feuchte, kränkliche Atmen des Schleichers lauter, und Molly gelangte auf die Rückseite der Sphäre. Sie sah den buckligen kleinen Gas-Mann, der unterwürfig vor den Füßen eines alten Mannes mit rundem Bauchund dichtem Bart kauerte, der vom gleichen Schneeweiß war wie sein Haar. Er trug einen langen, burgunderroten Wollmantel mit einem breiten Samtrevers in einem dunkleren Farbton. Molly kannte dieses Kleidungsstück von alten Fotos in einem von Felix’ Büchern und glaubte sich zu erinnern, dass es Hausrock genannt wurde. Der Hemdkragen des alten Mannes stand offen, und er trug keine Krawatte.
    Der Mann wandte sich Molly zu und betrachtete sie durch die kleinen Gläser der Brille auf seiner dicken Nase, die seine Augen größer erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit waren.
    Er wirkte freundlich, dieser alte Mann, und trotz der eigentümlichen Gegensätzlichkeit des großen Saals, dessen erlesene Stücke die Schäbigkeit des Rosts und Alters nicht verdecken konnten, war seine Garderobe makellos sauber und ordentlich, nicht zu vergleichen mit den ausgefransten, fadenscheinigen Kleidungsstücken, die Felix zu tragen gezwungen war. In dieser Hinsicht erinnerte der Mann sie mehr an Mr.   Church; beide waren antiquierte Gestalten aus einer anderen Zeit, und Molly fragte sich, wie lange sie einander schon bekämpften.
    Sie sah ihn erstaunt an. Er wirkte so sanft und gemütlich, wenn nicht sogar wohlwollend, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dieser alte großväterliche Mann könnte der Wahnsinnige sein, vor dem Mr.   Church sie gewarnt hatte.
    Er lachte leise. »Oh, Miss McHugh, Ihre Gedanken sind für mich fast wie ein offenes Buch.«
    Eisiger Schrecken durchfuhr sie. Er musste es ihr am Gesicht angesehen haben, denn er sagte rasch: »Nein, nein, das ist nur so ein Ausdruck. Aber ein Blick auf Sie genügte mir, und ich wusste, was Sie denken.«
    »Dr. Cocteau?«, fragte sie.
    Amüsiert zuckte er zur Antwort mit den Schultern. »Zu Ihren Diensten.«
    Molly verkrampfte sich. Sie wollte sich von dem alten Mann mit dererlesenen Kleidung und der kleinen Brille nicht einnehmen lassen. »Was haben Sie mit Felix Orlov gemacht?«, fragte sie.
    Dr. Cocteau nickte traurig. »Natürlich haben Sie ein Recht, es zu erfahren. Ich fürchte nur, Ihnen wird es nicht gefallen. Aber Ihr Vater ist hier bei uns, jawohl.«
    »Was?«,

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