Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
in der Nähe des Busbahnhofs von Buffalo. Der Pornoladen hatte schon immer einen eher schäbigen Eindruck gemacht; das war in den drei Monaten seit seiner Schließung nicht besser geworden, zumal die Stadt den gesamten Straßenblock zum Abriss freigegeben hatte.
Um kurz vor halb acht stellte Arlene ihren Buick in der Nebenstraße hinter dem Laden ab, schloss mit ihrem Schlüssel die Hintertür auf und war überrascht, Joe bei der Arbeit am Computer vorzufinden. Der lang gezogene Raum war mit Ausnahme der zwei Schreibtische, einer Garderobe, einem Gewirr von Servern und Kabeln und einer durchgesessenen Couch an einer der Wände unmöbliert.
Arlene hängte ihren Mantel an den Haken, legte die Handtasche auf ihren Schreibtisch, kramte ein Päckchen Marlboros heraus und steckte sich eine Zigarette an, dann schaltete sie ihren Computer und den Videomonitor ein, der mit den beiden Kameras im Erdgeschoss verbunden war. Das verwaiste Innere des Pornoshops sah so schmuddelig und leer aus wie immer. Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, die Blutflecken vom Linoleumboden aufzuwischen. »Wieder hier geschlafen, Joe?«
Kurtz schüttelte den Kopf. Er holte sich die Gerichtsakte eines gewissen Donald Lee Rafferty, Alter: 42, wohnhaft in 1016 Locust Lane, Lockport, NY, auf den Schirm. Die Akte verwies auf eine weitere Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer – bereits die dritte in diesem Jahr. Raffertys Führerschein war haarscharf davon entfernt, eingezogen zu werden.
»Gottverdammt noch mal«, raunte Kurtz.
Arlene blickte auf. Joe fluchte äußerst selten. »Was ist los?«
»Nichts.«
Joes Computer kündigte mit einem zwitschernden Geräusch das Eintreffen einer neuen E-Mail an. Es war eine Nachricht von Pruno, der auf Kurtz’ Mail von vier Uhr morgens antwortete. Pruno war ein obdachloser Säufer und Heroinjunkie, der tatsächlich einen wieder auf Vordermann gebrachten Uralt-Laptop in seinem Bretterverschlag hatte, den er sich mit einem anderen Obdachlosen namens Soul Dad teilte. Kurtz fragte sich immer wieder, wie Pruno es schaffte, das Ding zu behalten, wo ihm andauernd sogar die Lumpen, die er trug, unter dem Hintern weggeklaut wurden. Kurtz öffnete die Vorschau.
Joseph: Habe deine Mail erhalten und kann dir tatsächlich einige Informationen zur überlebenden Miss Farino und besagten drei Gentlemen geben. Würde es vorziehen, mich persönlich mit dir darüber zu unterhalten, da ich meinerseits eine Bitte an dich richten möchte. Könntest du, sobald es dir gelegen kommt, in meiner Winterresidenz vorbeischauen? Herzlichst – P.
»Gottverdammt noch mal«, sagte Kurtz noch einmal.
Arlene schielte durch einen Rauchschleier zu ihm hinüber. Auf ihrem eigenen Monitor gaben sich die heutigen Bittsteller für die Suche nach verflossenen High-School-Flammen die Klinke in die Hand. Sie klopfte die Asche von ihrer Kippe, sagte aber nichts.
Kurtz seufzte. Es kam ihm eher ungelegen, dass er dem alten Knaben wegen dieser Informationen einen Besuch abstatten sollte, aber Pruno bat Kurtz selten um etwas. Wenn er es genau bedachte, hatte Pruno ihn noch nie um etwas gebeten.
Aber diese Rafferty-Sache ...
»Gottverdammt noch mal«, flüsterte Kurtz.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, erkundigte sich Arlene.
»Nein.«
»Na gut, Joe. Aber wo du heute schon mal hier bist – es gibt ein paar Dinge, bei denen du mir unter die Arme greifen könntest.«
Kurtz schaltete seinen Computer aus.
»Wir müssen ein neues Büro finden«, sagte Arlene. »Dieses Haus wird in einem Monat abgerissen und wir fliegen hier in zwei Wochen raus, komme, was da wolle.«
Kurtz nickte.
Arlene klopfte wieder die Zigarettenasche ab. »Also – hast du heute oder morgen Zeit, mir bei der Suche nach einem neuen Hauptquartier für Sweetheart Search zu helfen?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Kurtz wahrheitsgemäß.
»Willst du, dass ich auf eigene Faust ein Büro für uns suche?«
»Nein.«
Arlene nickte. Diese Abfuhr hatte sie erwartet. »Soll ich vielleicht ein paar geeignete Objekte zusammenstellen und du wirfst später einen Blick drauf?«
»Okay«, sagte Kurtz.
»Und du hast nichts dagegen, wenn ich das während der Geschäftszeiten erledige?«
Kurtz starrte seine ehemalige und aktuelle Sekretärin an. Sie hatte im letzten Herbst, als er aus dem Gefängnis entlassen wurde, wieder angefangen, für ihn zu arbeiten. Nach zwölf Jahren Unterbrechung. »Habe ich dir jemals irgendwelche Vorschriften wegen deiner Arbeitszeiten gemacht oder
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