Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
arbeiten.«
Doch Kurtz war schon aus der Tür verschwunden und bekam die letzte Bemerkung gar nicht mehr mit.
Kapitel 3
Kurtz mochte die Winter in Buffalo, denn die Menschen in der Stadt wussten, wie man mit den kalten Temperaturen umging. Ein paar Zentimeter Schnee – genug, um eine Schickimicki-Stadt wie Washington oder Nashville lahmzulegen – wurden hier kaum registriert. Schneepflüge räumten die Straßen, die Bürgersteige wurden freigeschaufelt und die Leute gingen ungerührt ihren täglichen Besorgungen nach. Wenn der Schnee einen halben Meter hoch lag, wurden die Menschen in Buffalo langsam aufmerksam, aber nur so lange, wie es dauerte, um ihn zu einem drei Meter hohen Haufen am Straßenrand aufzutürmen.
Doch dieser Winter war wirklich extrem. Bis zum ersten Januar fiel mehr Schnee als in den letzten beiden Wintern zusammen und im Februar musste selbst das stoische Buffalo einige Schulen und Geschäfte schließen, als Schnee und Frost fast täglich über den Eriesee herübergeblasen wurden.
Es war Kurtz ein Rätsel, wie Pruno und einige andere Obdachlose, die nur in den allerschlimmsten Nächten ein Asyl aufsuchten, einen solchen Winter überleben konnten.
Doch den Winter zu überleben, war Prunos Problem. Kurtz’ Problem bestand darin, unabhängig von den Außentemperaturen die nächsten Tage und Wochen zu überleben.
Prunos »Winterresidenz« war die behelfsmäßige Hütte, die er und Soul Dad sich unter der Highway-Überführung in der Nähe des Eisenbahndepots aus Holzkisten zusammengezimmert hatten. Kurtz wusste, dass sich hier im Sommer 50 oder 60 Obdachlose zu einer Art Flüchtlingslager zusammenfanden, das durchaus einen gewissen Reiz ausstrahlte. Aber jetzt waren die meisten der Schönwetter-Berber längst in Obdachlosenasyle oder Städte im Süden umgesiedelt – Soul Dad beispielsweise bevorzugte Denver, aus Gründen, die nur ihm selber bekannt waren. Prunos Hütte lag nahezu vollständig unter einer Schneedecke begraben.
Kurtz rutschte die steile Böschung von der Straße hinunter und stapfte durch die Schneewehen zur Hütte. Es gab keine richtige Tür – ein rostiges Stück Wellblech verschloss die Öffnung in den zusammengenagelten Brettern –, also klopfte Kurtz an die Metallplatte und wartete. Der frostige Wind vom Eriesee drang mühelos durch die Wolle seines Mantels. Nachdem er noch zwei- oder dreimal geklopft hatte, hörte Kurtz ein rasselndes Husten, das er als Aufforderung zum Eintreten interpretierte.
Pruno – Soul Dad hatte sich einmal verplappert, dass der alte Mann in Wirklichkeit Frederick hieß – saß an den Betonpfeiler gelehnt, der die Rückwand seiner Hütte bildete. Schnee war durch Risse und Spalten eingedrungen. Das Verlängerungskabel des Laptops führte an ein unbekanntes Ziel und ein Stapel Dosen mit Brennpaste sorgte für Wärme und eine primitive Kochgelegenheit. Pruno selbst war in einem Kokon aus Lumpen und schmuddeligem Zeitungspapier kaum zu erkennen.
»Mein Gott«, sagte Kurtz leise. »Warum gehst du nicht in ein Asyl, alter Mann?«
Pruno stieß ein Geräusch aus, das ein Husten oder auch ein Lachen sein konnte. »Ich weigere mich, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist.«
»Geld?«, fragte Kurtz. »Die Asyle verlangen kein Geld. Zu dieser Jahreszeit nicht einmal Arbeit für ein Bett. Was also würdest du dem Kaiser schon geben – abgesehen von Frostbeulen?«
»Ehrerbietung«, sagte Pruno. Er hustete und räusperte sich. »Sollen wir zum Geschäftlichen kommen, Joseph? Was möchtest du über die ehrenwerte Miss Farino wissen?«
»Zuerst«, sagte Kurtz, »möchte ich wissen, was du für die Informationen verlangst. In deiner E-Mail hast du eine Gegenleistung erwähnt.«
»Nicht ganz, Joseph. Ich sagte, dass ich im Gegenzug eine Bitte an dich richten möchte. Ich versichere dir, dass ich dir die Informationen zu Farino so oder so geben werde.«
»Wie auch immer«, sagte Kurtz. »Wie lautet deine Bitte?«
Pruno hustete ausgiebig und zog die Zeitungen und Lumpen enger um sich. Die kalte Luft, die durch die Ritzen und Lücken des Bretterverschlags hereindrang, ließ Kurtz zittern, obwohl er schon seinen dicken Wollmantel trug. »Ob du wohl so freundlich wärst, dich mit einem Freund von mir zu treffen?«, fragte Pruno. »In deiner beruflichen Funktion.«
»Welcher beruflichen Funktion?«
»Als Detektiv.«
Kurtz schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich kein Privatdetektiv mehr bin.«
»Du hast letztes Jahr für die Farino-Familie
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