Joe - Liebe Top Secret
leben, werden aufs Kreuz gelegt – schon wieder.“
„Wie viele Männer nutzen Ihre Einrichtung?“, fragte Joe leise.
„Im Durchschnitt etwa zweihundertfünfzig täglich“, erwiderte der Mann. „Das sind Männer, die nirgendwo anders hingehen können. Sie haben nichts zu essen und kein Zuhause – nur die Straße, wo sie schlafen müssten.“
Joe schwieg.
„Unsere Fixkosten betragen im Jahr zwanzigtausend Dollar“, sagte Tony Pope. Er sah sich im Raum um. „Das ist so viel, wie zweihundert von Ihnen gerade für ein einziges Essen ausgeben.“
„Bietet das Boylston Street Shelter heute Essen an?“, erkundigte sich Joe.
„Heute wie jeden Tag. Bis sie unsere Tür zunageln.“
„Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich vorbeischaue?“
Wenn Pope überrascht war, verbarg er es sehr gut. „Es wäre mir eine Ehre.“
„Auf keinen Fall“, hörte Veronica Kevin Laughton vehement sagen. „Auf gar keinen Fall.“
„Joe, was hast du vor?“, fragte Veronica. „Du kannst nicht aus dem Gebäude gehen! Es ist nicht sicher.“
Doch Joe war bereits von der Bühne gesprungen und bahnte sich zwischen den Tischen einen Weg zu Sergeant Tony Pope.
Veronica konnte nur noch zusehen, wie Joe Pope, von FInCOM-Agenten und SEALs umringt, aus dem Raum begleitete. Die Fernsehkameras und Journalisten drängten sich hinter ihnen.
Das Obdachlosenheim befand sich tatsächlich direkt neben dem Hotel. Nachdem sie eingetreten waren, führte Pope Joe – und die Kamerateams – durch seine bescheidene Einrichtung, von der Cafeteria in die Küche. Er zeigte ihnen die Löcher im Dach und die anderen Teile des Gebäudes, die repariert werden mussten. Dann stellte er Joe mehrere der Bewohner und Arbeiter vor, die schon länger dort lebten.
Joe sprach sie alle mit ihrem Rang an, selbst die schmutzigsten, in Lumpen gehüllten Saufkumpane. Er begegnete jedem von ihnen respektvoll und höflich.
Als sich Joe verabschiedete, zog er sich den edelsteinbesetzten Ring vom Finger und reichte ihn Tony Pope. „Reparieren Sie das Dach“, sagte er.
Tränen schimmerten in den Augen des älteren Manns. „Euer Hoheit“, sagte er. „Sie haben uns schon so viel gegeben.“ Er wies auf die Fernsehkameras. „Allein die Publicity ist unbezahlbar.“
„Sie brauchen schnell Geld, und ich habe einen Ring zu viel“, erwiderte Joe. „Die Lösung liegt auf der Hand. Es ist so einfach.“ Er lächelte direkt in die Fernsehkameras. „Genau wie meine Freundin Cindy immer sagt.“
„Oh, Joe, du kannst diesen Ring nicht verschenken! Er gehört dir doch nicht einmal“, stieß Veronica hervor. Und sie wusste gleichzeitig, dass sie den Ring selbst ersetzen würde, wenn das nötig war.
Die Schlussszene der Abendnachrichten zeigte, wie alle Männer im Boylston Street Shelter vor Prinz Tedric salutierten, als er aus dem Gebäude ging.
„Sergeant Tony Pope bittet darum, dass Spenden direkt an das Boylston Street Shelter gehen“, sagte der Nachrichtensprecher. „Die Kontonummer lautet 944…“
Das Telefon klingelte. Veronica stellte den Ton des Fernsehers aus und hob ab.
„Haben Sie es gesehen?“ Es war Henri Freder, der ustanzische Botschafter. „Haben Sie die Nachrichten gesehen? Es kommt nicht nur im Regionalfernsehen, sondern auf allen Sendern, sogar im Kabelfernsehen.“
„Ja, habe ich“, erwiderte Veronica.
„Gold“, sagte Freder. „Reines, massives Gold.“
„Ich weiß, dass der Ring wertvoll ist, Sir“, setzte Veronica zu einer Rechtfertigung an. „Aber …“
„Nicht der Ring“, entgegnete Freder begeistert. „Prinz Tedrics Image! Absolut Gold wert! Er ist der neue Held in Amerika. Alle lieben ihn! Wir hätten es nicht besser anstellen können. Ich muss auflegen, mein anderes Telefon klingelt …“
Veronica starrte auf den stummen Hörer und legte langsam auf. Alle liebten Prinz Tedric – der in Wahrheit ein Matrose namens Joe war und überhaupt kein echter Prinz.
Oder doch?
Er war mehr Prinz, als Tedric es je gewesen war.
Dank Joe liebten jetzt alle Prinz Tedric. Außer Veronica. Sie war in einen Prinz namens Joe verliebt.
Veronica hatte zwei Stunden, um sich vor der Party auszuruhen. Sie legte sich aufs Bett, blickte zur Decke und versuchte, nicht über das nachzudenken, was Joe im Flugzeug zu ihr gesagt hatte.
Der Kuss. Er hat nichts bedeutet.
Sie war in einen Mann verliebt, der ihr zu mehr als einer Gelegenheit erklärt hatte, dass sie bei ihm höchstens auf ein erotisches Abenteuer hoffen konnte. Er hatte zu
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