Joe von der Milchstraße
–«, sagte der Tower jetzt zögernd, »glaube, ich sehe es.«
»Laß die Passagiere aussteigen, bevor es zu spät ist!« rief Joe erregt.
»Aber sie werden wie aufgescheuchte Gänse durcheinanderlaufen!« sagte der Tower.
»Hühner«, korrigierte ihn Joe.
»Mein Standpunkt ist klar, auch wenn die Metapher nicht ganz richtig ist«, sagte der Tower. Unsicherheit klang aus seiner Stimme. »Vielleicht kann ich Sie mit jemand an Bord des Schiffes verbinden.«
»Mach es aber schnell!« rief Joe ungeduldig.
Auf dem Bildschirm tauchte eine Reihe durcheinanderflimmernder, unnatürlich wirkender Farben auf. Kurz darauf erschien der massige, kantige graue Schädel Harper Baldwins. »Hallo, Mr. Fernwright?« Wie der Tower schien auch er sich in einem Zustand höchster Nervosität zu befinden. »Wir wollen gleich starten. Wie ich hörte, befindet sich ein falscher Glimmung auf dem Wege zum Raumschiff. Wenn wir nicht sofort abfliegen –«
»Es sind neue Anweisungen eingetroffen«, sagte Joe. »Glimmung ist wohlauf, und er will, daß Sie alle sofort zur Tauchstation kommen. Und zwar auf dem schnellsten Wege.«
Ein kühles, selbstbewußtes, fast männlich wirkendes Frauengesicht erschien auf dem Bildschirm. »Hier spricht Hilda Reiss. In einer Situation wie dieser bleibt uns nur die Möglichkeit, den Planeten Plowman evakuieren zu lassen, Mr. Fernwright. Ich dachte, Sie hätten das verstanden. Ich habe Miß Yojez –«
»Aber Glimmung will, daß Sie hierbleiben!« rief Joe. Dieser Bürokratismus, dieser gottverdammte Bürokratismus! Er hielt den Zettel mit Glimmungs Nachricht vor den Bildschirm. »Erkennen Sie seine Schrift? Als seine Privatsekretärin müßten Sie sie erkennen.«
Sie legte die Stirn in Falten und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf das Blatt. »›Es besteht keine Veranlassung mehr, den Planeten zu verlassen!« las sie laut von dem Blatt ab. »Unterrichten Sie alle davon, daß es mir gut geht und sagen Sie ihnen –‹«
Joe hielt den nächsten Zettel vor den Schirm.
»›Holen Sie die anderen!‹« las Miß Reiss. »Das reicht. Es ist einwandfrei Glimmungs Handschrift.« Sie schaute Joe an. »In Ordnung, Mr. Fernwright. Wir werden uns jetzt Werjen und Fahrzeuge besorgen und auf dem schnellsten Wege zur Tauchstation kommen. Sie können in zehn bis fünfzehn Minuten mit unserem Eintreffen rechnen. Ich hoffe, daß der falsche Glimmung uns nicht unterwegs aufspürt und vernichtet. Auf Wiedersehen!« Sie legte den Hörer auf. Die Bildfläche wurde dunkel und der Lautsprecher verstummte.
Zehn Minuten, dachte Joe. Und der schwarze Glimmung ist ihnen auf den Fersen. Sie können von Glück reden, wenn sie noch Werjen finden, die sich bereit erklären, sie unter diesen Umständen zu fahren. Sogar der automatische Tower, der nur eine synthetische Konstruktion ist, schien Angst zu haben!
Joe hatte kaum Hoffnung, daß sie die Tauchstation erreichen würden. Eine halbe Stunde verging. Von der Gruppe war noch immer nichts zu sehen. Es hat sie erwischt, dachte Joe. Sie sind am Ende. Und inzwischen kämpft Glimmung am Grunde des Mare Nostrum mit der schwarzen Kathedrale. Jetzt ist alles entschieden.
»Warum kommen sie nicht?« rief er verzweifelt aus. Hat der schwarze Glimmung sie getötet? Schwimmen ihre Leichen schon im Wasser oder verdorren sie auf dem Land zu bleichen Skeletten? Und was ist mit Glimmung? Selbst, wenn sie noch eintreffen sollten, hängt noch immer alles davon ab, ob es Glimmung gelingt, die schwarze Kathedrale zu besiegen. Wenn er stirbt, sind sie umsonst hierhergekommen; wir alle werden den Planeten verlassen müssen. Dann muß ich zurück auf die überfüllte Erde, zurück zu dem albernen Inflationsgeld, zurück zu meiner Kriegsveteranenunterstützung und zu meinem leeren Arbeitsraum, in dem nichts geschieht. Und zurück zum Spiel, zu dem verdammten Spiel. Und das für den Rest meines Lebens!
Ich werde hier bleiben, dachte er. Auch wenn Glimmung stirbt. Aber was wäre diese Welt ohne Glimmung? Sie würde vollends vom Buch der Kalenden regiert werden! Sie wäre nur noch eine rein mechanisch funktionierende Welt; alles, was geschehen würde, wäre nur noch von den Launen der Kalenden abhängig. Es wäre eine Welt ohne Freiheit. Das Buch würde uns jeden einzelnen Tag voraussagen, und wir würden seine Voraussagungen befolgen. Und schließlich würde uns das Buch unseren Tod voraussagen, und wir würden sterben…
Sterben, dachte er. Das Buch hatte unrecht! Es sagte, ich würde am
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