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Joe von der Milchstraße

Joe von der Milchstraße

Titel: Joe von der Milchstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Irgendein riesiger Gegenstand versuchte, an die Oberfläche zu gelangen. War es Heldscalla? War es Glimmung, oder – war es die Schwarze Kathedrale? Zitternd stand er da und wartete. Der riesige Gegenstand ließ das Wasser heftig kochen und brodeln; gewaltige Dampfwolken stiegen in den Himmel; die Nacht erbebte unter dem lauten Röhren, wie unter einem riesigen Dampfkessel voller Hast, Bewegung und titanischer Anstrengung.
    »Es ist Glimmung, und er ist schwer verwundet«, sagte Mali mit ruhiger Stimme.
     

15
     
    Der Feuerring war erloschen. Nur noch der Wasserreifen drehte sich mit lautem Quietschen … als ob, dachte Joe, eine Maschine langsam stirbt, aber kein lebendiges Wesen.
    Nun kam der Rest der Gruppe zu der Plattform. »Er hat es nicht geschafft!« rief die rote Masse, die von dem Metallrahmen gestützt wurde. »Seht doch! Er stirbt!«
    »Ja!« sagte Joe laut und war erstaunt, seine eigene Stimme zu hören; sie hörte sich hart und schrill unter dem schrecklichen Stöhnen an, das aus der Richtung Glimmungs kam. Einige aus der Gruppe wiederholten sein Wort; es war so, als hätte Joe einen Bann verhängt, als läge es an ihm, eine Entscheidung zu fällen, ob Glimmung leben oder sterben sollte. »Wir haben solange keine Sicherheit, wie wir nicht zu ihm hinausgefahren sind«, sagte Joe. Dann legte er seine Lampe nieder und kletterte die Holzleiter hinab in das Boot. »Ich werde hinfahren und sehen, was los ist.« Er streckte seine Hand nach der Lampe aus und ließ, vor Kälte zitternd, den Motor an.
    »Geh nicht!« rief Mali.
    »Ich komme gleich zurück«, sagte Joe mit krächzender Stimme. Dann stieß er das Boot von dem Steg ab und fuhr geradewegs in das von Glimmungs riesigem Körper noch immer heftig bewegte Meer hinaus.
    Ängstlich tuckerte das Boot vorwärts. Wie eine Nußschale hob und senkte es sich in den hohen Wellen, die von Glimmungs zuckendem Körper ausgingen. Es muß eine gewaltige Wunde sein, dachte Joe. Eine Wunde von solchen Ausmaßen, wie wir sie uns einfach nicht vorstellen können. Verdammt, dachte er mit Bitterkeit, warum muß es nun so enden? Warum konnte es nicht anders kommen? Er spürte eine Starre in seinem Körper, so als näherte sich der Tod auch ihm, so als sollten er und Glimmung –
    Die riesige Gestalt Glimmungs wälzte sich zuckend im Wasser. Blut strömte aus seinem Körper; wie bei Christus am Kreuz strömte das Blut unaufhörlich, als sollte die Quelle nie versiegen. Als ob dieser Augenblick Ewigkeit werden sollte, dachte Joe. Ich in dem Boot, mich ihm unaufhörlich nähernd, und er zuckt und blutet und stirbt! Mein Gott! Das ist schrecklich! Das ist nicht zu ertragen! Dennoch steuerte er das Boot immer dichter an Glimmung heran.
    »Ich – brauche euch. Ich brauche euch alle«, brachte Glimmung mühsam hervor. Seine Stimme schien aus der tiefsten Tiefe seiner selbst zu kommen.
    »Was können wir tun?« fragte Joe. Er kam immer näher heran. Das Boot war nur noch ein paar Meter von Glimmungs peitschendem und zuckendem Körper entfernt. Wasser und Blut schlugen ins Boot; Joe merkte, wie es langsam unter ihm zu sinken begann. Er krallte sich am Rand fest und versuchte, sein Gewicht zu verlagern. Aber das Wasser und das Blut ergossen sich weiterhin ungehindert ins Bootsinnere. Ich werde ertrinken, dachte er verzweifelt.
    Widerstrebend wendete er das Boot und fuhr ein Stück von Glimmung weg. Das Boot nahm nun kein Wasser und Blut mehr auf. Dennoch fühlte er sich nicht besser. Furcht und Seelenpein quälten ihn. Er identifizierte sich vollkommen mit seinem sterbenden Arbeitgeber.
    »Ich – ich –« versuchte Glimmung, etwas hervorzubringen. Er geiferte nun stark. Unfähig, das Zucken seines verwundeten Körpers verhindern zu können, rollte er auf die Seite.
    »Was es auch ist«, sagte Joe, »wir werden es tun.«
    »Das ist – außerordentlich – aufmerksam von Ihnen«, antwortete Glimmung. Seine Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken. Nun drehte sich sein Körper gänzlich im Wasser herum und sank unter die Oberfläche, so daß er nichts mehr sagen konnte.
    Das Ende, dachte Joe.
    Mit einem erbärmlichen Gefühl, niedergedrückt vom Elend, wendete er das Boot und fuhr wieder zu der Anlegestelle zurück. Nun war alles vorbei.
    Als er das Boot festmachte, kamen Mali, Harper Baldwin und einige nichthumanoide Lebewesen ihm zu Hilfe.
    »Danke«, sagte Joe und stieg schwerfällig die Holzleiter hinauf. »Er ist tot!« brachte er hervor. »Oder fast tot. So gut wie tot.«

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