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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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auf, ob er einen Neuen in der Schule entdecken kann. Aber auf dem Schulhof sieht er nur die alten vertrauten Gesichter. Nach der letzten Stunde läuft Joel wieder zum Fluß.
    Kaum ist er hinter der Bäckerei, sieht er schon jemanden auf dem Felsblock sitzen. Wieder stapft er den Abhang hinunter und flucht still vor sich hin, weil er keine Schneeteller besitzt.
    »Ich hab mir schon gedacht, daß du es bist«, sagt der fremde Junge, als Joel durch den Schnee heranwatet. »Das ist mein Felsen«, sagt Joel, und er merkt, daß seine Stimme vor Wut zittert. »Niemand außer mir darf da drauf sitzen.«
    »Hast du ihn im Grundbuch eintragen lassen?« fragt der fremde Junge und grinst.
    Grundbuch, was ist das denn, denkt Joel. »Wenn man einen Stein besitzt, muß man das ins Grundbuch eintragen lassen«, sagt der Junge. »Mit Stempeln und allem. So gehört sich das.«
    »Es ist mein Felsen«, sagt Joel wütend. Jetzt zittert seine Stimme nicht mehr. Jetzt ist nur noch Wut in ihm. Plötzlich springt der fremde Junge vom Felsen, und Joel denkt sekundenlang, daß es gleich eine Prügelei gibt. Wenn der Felsen ihm gehört, muß er ihn verteidigen. Aber der fremde Junge löst nur die Riemen, mit denen die Schneeteller an seinen Stiefeln festgeschnallt sind. »Willst du sie mal ausprobieren?« fragt er.
    Joel sieht ihn an. Meint er das ernst oder nicht? »Der Felsen gehört mir«, wiederholt er.
    »Ich will ihn dir ja nicht wegnehmen«, antwortet der fremde Junge. »Willst du die Schneeteller ausprobieren oder nicht?«
    Joel befestigt die Riemen an seinen Skistiefeln. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man einfach so über den Schnee gehen kann.
    »Ganz gut«, sagt er, als er sie zurückgibt. »Wirklich ganz gut.«
    »Wie heißt du außer Joel?« fragt der fremde Junge plötzlich. Woher weiß er, daß er Joel heißt?
    »Gustafson«, sagt Joel. »Aber woher weißt du, daß ich Joel heiße?«
    »Der Name ist in den Felsen geritzt«, sagt der fremde Junge. »Das mußt du wohl sein, weil du behauptest, der Felsen gehört dir.«
    Das hat Joel vergessen. Im letzten Herbst hat er seinen Namen mit einem rostigen Nagel in den Felsblock geritzt. »Und du?« fragt er. »Außer Ture?«
    »Svala. Aber ich bin adlig, deshalb heiße ich von Svala. Ture von Svala.«
    »Quatsch«, sagt Joel, »so kann man doch nicht heißen. Und wieso gehst du nicht in die Schule? Warum bist du hierher gezogen? Wo zum Teufel wohnst du eigentlich?«
    »Mein Papa ist der neue Richter«, sagt Ture. »Wir wohnen über dem Gerichtssaal. Ich brauch nicht in die Schule zu gehen, weil das Schuljahr bald rum ist. Das hat Papa so geregelt. Ich lern für mich allein und geh erst im Herbst in die Schule. Das denken die jedenfalls. Aber dann bin ich längst über alle Berge. Hier kann man doch nicht leben.«
    Er zieht den einen Handschuh aus und guckt auf seine Armbanduhr.
    »In einer Woche, drei Tagen, sieben Stunden und neun Minuten hau ich ab«, sagt er, »falls dich das interessiert.« Joel steht mit offenem Mund da. Nicht direkt, daß sein Mund wirklich offen ist. Es ist ein unsichtbarer Mund in ihm drin.
    So eine Lüge hat er noch nie gehört. Zuerst behauptet der Junge mit den Schneetellern, daß er adlig ist, und dann erzählt er, wann genau und zu welcher Uhrzeit er abhauen will. Solche Lüge könnte Joel sich nie ausdenken. »Wieso?« fragt Joel. »Warum willst du ausgerechnet dann abhauen?«
    »Weil dann ein Zug nach Orsa fährt«, sagt Ture von Svala. »Und weil Papa dann eine Verhandlung hat. Dann merkt niemand, wenn ich mit dem Koffer weggeh. Ich muß so viel mitnehmen. Deshalb ist es wichtig, daß mich niemand sieht. Eigentlich brauch ich jemanden, der mir tragen hilft. Willst du das vielleicht machen?« »Klar kann ich das machen«, sagt Joel. »Ich hab auch schon daran gedacht abzuhauen.«
    So eine Lüge, denkt Joel. Er lügt, daß es ganz ehrlich klingt.
    »Zeig mir was Aufregendes«, sagt der fremde Junge. »Falls es hier was Aufregendes gibt.« Joel steigt hinter Ture her, der mit großen Schritten leicht über den Schnee geht.
    Vielleicht schenkt er mir die Schneeteller, wenn ich ihm abhauen helfe, denkt Joel.
    Obwohl natürlich alles gelogen ist, aber trotzdem. Sie kommen oben bei der Bäckerei an, und es dämmert schon. Plötzlich hat Joel eine Idee.
    »Es gibt da ein Geheimnis«, sagt er. »Aber in der Nacht, nur nachts. Dann schläfst du wohl, was?« »Ich komme«, sagt Ture.
    Joel denkt nach. Gegenüber vom Gerichtsgebäude ist der Rangierbahnhof.

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