Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
Erwachsenen schlau zu werden. Manchmal stehen sie vor einem und wollen aber auch alles wissen. Aber genauso oft wollen sie überhaupt nichts wissen.
Joel mag Elchfleisch sehr gern. Es hat einen ganz besonderen Geschmack. Außerdem kann man dazu soviel Preiselbeerkompott essen, wie man will. Dann zieht Samuel nicht die Augenbrauen hoch, wenn er zuviel Kompott nimmt. Sie essen schweigend. Samuel redet selten beim Essen. Joel weiß, es ist die beste Gelegenheit, ihn etwas zu fragen, wenn Samuel mit Essen fertig ist und bevor er sich die Zeitung holt, die in seiner Jackentasche steckt, und sich auf die Küchenbank legt oder in seinem Zimmer auf den Stuhl setzt und anfängt zu lesen.
Es kommt darauf an, die Frage genau in dem Augenblick bereit zu haben, wenn Samuel den Teller beiseite schiebt und sich den Mund abwischt.
»Ich hab heute nacht von Mama Jenny geträumt«, sagt Joel, als Samuel Messer und Gabel hinlegt. »Ach«, sagt er, »und was hast du geträumt?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern«, sagt Joel. »Aber ich weiß, daß ich von ihr geträumt habe.«
»Das sähe ihr ähnlich, wenn sie jetzt auch noch anfängt, in den Träumen zu spuken«, sagt Samuel, und seine Stimme klingt plötzlich gereizt.
»Wieso?« fragt Joel.
»Du solltest nicht soviel an deine Mama denken«, sagt Samuel. »Ich versteh ja , daß es nicht leicht ist, keine Mama zu haben. Aber sie war nicht gut. Sie war nicht so, wie ich geglaubt hab.« »Wie war sie denn?« fragt Joel.
Samuel schaut ihn lange an. »Wir reden darüber, wenn du ein bißchen größer bist«, sagt er und steht auf. »Wieviel größer?« fragt Joel.
Samuel gibt keine Antwort, sondern holt seine Zeitung. Als er zurückkommt, bleibt er stehen und sieht Joel an.
»Du stellst dir deine Mama wahrscheinlich ganz besonders schön vor«, sagt er. »Und ich will dich nicht enttäuschen. Wir können über sie reden, wenn du etwas größer bist.«
Dann geht er in sein Zimmer, und Joel bleibt allein am Tisch zurück.
Was weiß Samuel, den er nicht mehr Papa Samuel nennt, was weiß der von Joels Enttäuschungen?
Nichts…
Wenn er heute nacht wieder zu Sara geht, hau ich ab, denkt Joel. Den ganzen Abend bleibt er in seinem Zimmer und schiebt die Zinnsoldaten hin und her, ohne daran zu denken, was er da tut. Er überlegt, ob Ture ihm helfen kann, Sara zu verjagen. Samuel kann man wohl kaum Angst einjagen. Wie kann man jemanden erschrecken, der überhaupt nichts begreift? Wenn er wüßte, wie Joel denkt, dann würde er sich natürlich überhaupt nicht um Sara kümmern.
Joel überlegt, daß es noch eine andere Möglichkeit gibt. Er selbst könnte Sara Bescheid sagen. Er könnte in die Bierstube gehen und ihr sagen, sie soll Samuel in Ruhe lassen. Ihr sagen, daß er es war, der den Stein geworfen hat, daß er keine Schwestern mit roten Hüten haben will. Vielleicht würde sie verstehen, wie wichtig das für ihn ist. Sie hat ja selbst einen Jungen gehabt, der bei einem Feuer ums Leben gekommen ist.
Das ist die beste Lösung, denkt er und geht ins Bett. Er muß mit Sara reden.
Plötzlich steht Samuel in der Tür.
Er kommt näher und setzt sich auf die Bettkante. Er lächelt Joel an, aber Joel ist sicher, daß Samuel nicht ihn meint, sondern daß er an Sara denkt.
»Möchtest du etwas übers Meer hören?« fragt Samuel. Das möchte Joel eigentlich schon. Aber er zwingt sich, es nicht zu sagen.
»Ich hab schon fast geschlafen«, sagt er.
»Dann schlaf gut«, sagt Samuel, »morgen vielleicht…« Joel wickelt den Wecker in eine Socke und legt ihn unters Kopfkissen. Er wünschte, er müßte heute nacht nicht aufstehen. Wenn er morgen noch einmal die Schule schwänzt, wird Frau Nederström Fragen stellen.
Am liebsten möchte er schlafen, bis es Sommer ist. Aufwachen und wissen, daß Sommerferien sind und daß Sara weit weggezogen ist.
Trotzdem ist er froh, als der Wecker klingelt. Als erstes hört er Samuel schnarchen. Heute nacht ist er also nicht zu Sara gegangen.
Vielleicht hat der eine Stein gereicht, denkt Joel. Vielleicht geht er auch gar nicht wieder hin?
Vielleicht wird alles wieder wie immer?
Plötzlich ist er kein bißchen müde.
Er zieht sich an und läuft die Treppe hinunter, hinaus in die Nacht. Es ist nicht mehr so kalt, tut nicht mehr so weh beim Atmen.
Das ist der Frühling, denkt er. Zuerst kommt der Frühling, dann kommen die Sommerferien.
Ture wartet auf ihn bei den Güterwaggons. Er hat einen Spaten mitgebracht und einen Papiersack.
Der
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