Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
hab gehört, wie du gekommen bist.« »Wie konntest du das denn hören?« fragt Joel.
Der alte Maurer zeigt in eine Ecke vom Zimmer. Dort liegt ein Hund und schaut Joel an. Ein Lappenhund! Aber das ist nicht der Hund, der unterwegs zu einem Stern ist. Er sieht ihm ähnlich und ist doch ein anderer.
»Lukas hört alles«, sagt der alte Maurer. »Setz dich.« Joel setzt sich auf einen merkwürdigen Stuhl, der am Tisch steht. Eigentlich sind es zwei Stühle, die mit den Rückenlehnen aneinander festgenagelt sind. »Was liest du da?« fragt er.
»Mir ist es egal, wie die Bücher heißen«, antwortet der alte Maurer. »Ich les ein bißchen hier und ein bißchen da, und was mir nicht gefällt, ändere ich um. Der Schluß von diesem Buch hier gefällt mir nicht. Da hab ich einen neuen geschrieben, so wie ich ihn haben will.« »Darf man das denn?« fragt Joel.
Der alte Maurer blinzelt ihn an. »Man darf so viel nicht«, sagt er. »Man darf keine verschiedenen Schuhe tragen, man darf nicht in einer alten Schmiede wohnen, man darf keine Hühner im Haus halten. Aber ich mach das trotzdem. Ich schade ja niemandem. Außerdem bin ich ja sowieso verrückt.« »Bist du das wirklich?« fragt Joel.
»Ich bin bestimmt mal verrückt gewesen«, antwortet der alte Maurer. »Alle Gedanken, die ich damals dachte, taten so weh. Aber so ist das nicht mehr. Jetzt denke ich nur Gedanken, die ich mag. Ich bin höchstens noch ein bißchen verrückt.«
»Du hast gesagt, daß ich deine Suppe mal probieren darf«, sagt Joel. »Ich muß unbedingt rauskriegen, was heute nachmittag und heute abend passiert.«
Der alte Maurer sieht ihn lange an.
»Du siehst nicht fröhlich aus«, sagt er schließlich. »Es sieht aus, als hättest du einen Haufen Gedanken im Kopf, die du am liebsten loswerden würdest. Ist es so?«
Joel nickt. Und plötzlich fängt er an zu erzählen. Die Worte kommen ohne Zögern aus seinem Mund. Er erzählt von Papa Samuel, der Samuel geworden ist, von Mama Jenny und von »Celestine«, vom Geheimbund und von Sara aus der Bierstube. Er erzählt von dem Stein, den er durch ihr Fenster geworfen hat, und von dem Hund, der unterwegs zu einem Stern ist.
Er ist sicher, daß der alte Maurer hört, was er zu sagen hat. Er ist nicht so einer, der nur so tut, als ob er zuhört. Als Joel verstummt, wird es merkwürdig still im Zimmer. Das einzige Geräusch sind die Schnäbel der Hühner, die monoton auf dem Fußboden picken.
»Jetzt wollen wir beide mal mit dem Laster fahren, du und ich«, sagt der alte Maurer und erhebt sich. »Ich will dir was zeigen.«
Joel kriecht in das Fahrerhaus. Er hat noch nie in einem Laster gesessen. Der alte Maurer schiebt sich hinter das Steuer, dreht einen Schlüssel herum und zieht an einem Hebel. Aber der Motor springt nicht an. »Steig aus und hau hiermit auf die Motorhaube«, sagt er und reicht Joel einen Hammer. »Wo denn?« fragt Joel.
»Da, wo schon Dellen sind«, sagt der alte Maurer. »Hau so fest du kannst und hör erst auf, wenn ich es dir sage.« Joel tut, wie ihm geheißen, und plötzlich springt der Motor an. Aber wieso startet er, wenn man mit dem Hammer draufhaut?
Er klettert wieder ins Fahrerhaus. Plötzlich kommt ein Huhn hinter dem Sitz hervor und flattert zur offenen Autotür hinaus.
»Ich hab mich schon gefragt, wo sie steckt«, brummt der alte Maurer. »Im Sommer legt sie immer hier drinnen hinter den Sitzen ihre Eier.«
Sie biegen auf die Landstraße ein und fahren nach Norden.
Wenn wir nach Süden gefahren wären, hätte er mich vielleicht nach Motala bringen können, denkt Joel, Tag und Nacht wären wir gefahren, bis wir da sind… Nach ein paar Kilometern werden sie langsamer, und der Laster biegt in einen Holzweg ein. Was er Joel zeigen will, sagt der alte Maurer nicht. Joel wünschte, die Reise würde nie ein Ende nehmen. Der weiße Wald ist wie ein unendliches Meer, der Laster ein gefrorenes Schiff, das durch das weiße Meer steuert.
Aus einer Tanne erhebt sich ein großer Vogel und flattert davon. Schwer fällt der Schnee von dem Zweig, den der Vogel verlassen hat.
Plötzlich hält der alte Maurer den Laster an. Nachdem er den Motor abgeschaltet hat, erlebt Joel eine Stille, wie er sie noch nie gehört hat. Tausend Bäume, die sehen können und lauschen…
Der alte Maurer schaut nachdenklich durch die Windschutzscheibe. »Jetzt gehen wir«, sagt er und steigt aus. Joel stapft hinter ihm her durch den tiefen Schnee. Die Tannen stehen dicht an dicht, und er fragt sich,
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