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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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und Stiefel da sind. Er weiß es so.
    Vorsichtig öffnet er die Tür zu Samuels Zimmer. Das Bett ist leer. Da fängt er an zu weinen. Er setzt sich auf die Küchenbank, und die Tränen fließen. Lange sitzt er so da. Dann holt er das Logbuch hervor, das unter »Celestine« liegt. Mit einem Bleistift schreibt er auf eine leere Seite: »Alle Seeleute sind jetzt weg. Der letzte, der über Bord gespült wurde, war Matrose Samuel Gustafson. Sein Sohn kämpfte bis zum letzten, um ihn zu retten, aber es war vergeblich. Jetzt ist nur noch Joel Gustafson auf dem Schiff. Niemand außer Joel Gustafson…«

7

    Als Joel am nächsten Morgen in die Küche kommt, sieht er, daß Samuel nachts nicht zu Hause gewesen ist. Der Herd ist kalt, und neben dem Spülbecken steht keine leere Kaffeetasse.
    Wieder packt ihn die Angst. Es ist ein Ungeheuer, das in seinem Magen sitzt. Ein Tier mit scharfen Zähnen und spitzen Krallen, ein Tier, das sich satt frißt im Innern von Menschen, die Angst haben.
    Joel beschließt, in den Wald zu gehen, sich in den Schnee zu legen und zu sterben.
    Samuel kommt bestimmt nie wieder.
    Er ist weggegangen wie Mama Jenny und hat ihn zurückgelassen. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, ihn zur alten Westman zu bringen.
    Joel versucht sich einzureden, daß er sich täuscht, daß er sich das alles nur einbildet. Aber dann muß er sich auch den kalten Herd und die Kaffeetasse wegdenken, die nicht da steht, wo sie sonst steht.
    Das geht nicht. Soviel kann man sich nicht vormachen. Er zieht sich an und geht hinaus auf die Straße. Es ist wieder kälter geworden, und eine Rauchfahne steht vor seinem Mund, wenn er atmet.
    In die Schule kann er nicht gehen. Das ist unmöglich. Alle würden ihm ansehen, daß Samuel ihn verlassen hat und zu Sara in die Bierstube gezogen ist. Er will so tief in den Wald hineingehen, daß er nicht wieder herausfindet, damit er es sich nicht anders überlegen kann.
    Die Wälder im Norden sind am größten, das weiß er. Dort gibt es auch tiefe Schluchten und schwarze Weiher. Viele Menschen haben sich in den Wäldern verirrt und sind nie zurückgekehrt. Jetzt wird er einer von denen. Aber er will sich mit Absicht verirren.
    Er geht den Hügel zum Bahnhof hinauf und denkt, daß es das letzte Mal ist. Auf halbem Wege dreht er sich um und betrachtet seine eigenen Fußspuren. Sein Name fällt ihm ein, den er in den Felsblock unten am Fluß geritzt hat. Der wird übrigbleiben.
    Wie ungerecht das alles ist, was passiert ist. Wieso ist man für etwas verantwortlich, wenn man sich seine Eltern nicht aussuchen kann? Und warum mußte Sara sich für Samuel entscheiden? Oder war es vielleicht Samuel, der sich für sie entschieden hat?
    Vielleicht findet er, daß ich mir eine schlechte Mama bin, denkt Joel. Vielleicht findet er, daß ich genauso schlecht bin wie Mama Jenny…
    Er bleibt stehen, als er zu der Abzweigung kommt, die zu Simon Urväders Haus führt.
    Vielleicht sollte er noch die Suppe probieren, ehe er sich im Wald verirrt? Wenn es stimmt, daß man in die Zukunft sehen kann, dann kann er ja nachgucken, was passiert, wenn er tot ist.
    Er geht zwischen den dichten Tannen hindurch, folgt den Lasterspuren und steht auf dem Hofplatz. Verrostete Maschinen, zerlegte Autos und Webstühle liegen mit Schnee bedeckt auf dem Hof verstreut.
    Wie auf einem Friedhof, denkt Joel. Nur daß die Grabsteine aus verrosteten Maschinen bestehen, die keine Inschriften tragen.
    Er betrachtet das verfallene Haus. Kein Rauch ringelt sich aus dem Schornstein, kein Laut ist zu hören. Er geht zu einem der Fenster und späht vorsichtig hinein. Der alte Maurer sitzt an einem Tisch und liest in einem Buch. In der einen Hand hält er einen Bleistift, und hin und wieder schreibt er etwas in das Buch.
    Plötzlich guckt er auf, genau Joel ins Gesicht, und winkt ihm zu. Joel hört ihn rufen, daß er reinkommen soll. Als er den Türgriff herunterdrückt, merkt er, daß er sich in die verkehrte Richtung bewegt, genau entgegengesetzt zu allen Türgriffen, die er bisher angefaßt hat. Er betritt einen dunklen Vorraum, in dem es nach Teer riecht. Zeitungen stapeln sich bis zur Decke. Eine Schaufensterpuppe steht auch da. Sie ist mit einem alten Pelz behängt. In dem Zimmer, in dem der alte Maurer sitzt, riecht es nach Qualm von dem räuchernden Kamin. Auf dem Fußboden laufen Hühner herum und picken nach etwas zwischen den schmalen Flickenteppichen.
    »Du kriegst die Suppe«, sagt der alte Maurer und lächelt ihn an. »Ich

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