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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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vergangen, wie viele hatte er noch vor sich? Wieder und wieder verzählte er sich und musste von vorn anfangen. Plötzlich sah er einen Jungen auf das Haus zugehen. Er trug etwas unter dem Arm. Joel wusste sofort, dass es Allan sein musste. Doch bis jetzt konnte er nicht erkennen, wer es war.
    Jetzt näherte er sich dem Lichtkegel der Straßenlaterne.
    Joel traute seinen Augen nicht.
    Otto!
    Otto war der, den er am allerwenigsten von allen Menschen hier treffen wollte. Und jetzt konnte er sich nicht mal verdrücken.
    Otto hatte ihn schon entdeckt.
    Er wollte die Weihnachtszeitschriften verkaufen. Unter allen Menschen, die es gab, musste es ausgerechnet er sein. Joel hätte am liebsten vor Wut geschrien. Aber das tat er natürlich nicht. Er trat hervor und baute sich vor Otto auf. Das wird ein Duell, dachte er.
    Ein Duell um einen Weihnachtszeitschriftenkatalog.

10
    Otto blinzelte Joel misstrauisch an.
    Joel versuchte drohend zurückzublinzeln. Der Katalog, den Otto unterm Arm trug, enthielt die Weihnachtszeitschriften.
    Darüber gab es keinen Zweifel.
    Otto war Allan.
    »Was machst du hier?«, fragte Otto.
    Joel mochte seine Stimme nicht. Sie war schrill. Außerdem sprach Otto zu laut.
    »Ich will mit dir reden«, sagte Joel.
    »Dann rede!«
    »Das tu ich doch.«
    Es wurde still. Otto blinzelte immer noch. Joel holte tief Luft.
    »Du hast etwas, das ich kaufen möchte«, sagte er. Otto wurde sofort neugierig. Er hatte nichts dagegen, ein bisschen Geld zu verdienen. Er machte einen Schritt auf Joel zu. »Was?«
    »Die, der du in diesem Haus Weihnachtszeitschriften verkaufen willst, ist eine Verwandte von mir«, sagte Joel. »Ich wollte sie überraschen.«
    Otto wurde wieder misstrauisch.
    »Die ist doch aus Stockholm. Da hast du doch wohl keine Verwandten?«
    Joel hatte schon eine Antwort vorbereitet.
    »Sie ist die Kusine von einem Halbbruder von meinem Papa.«
    Otto zögerte. Joels Antwort war schnell und entschieden gekommen. Eine Kusine von einem Halbbruder des Vaters war außerdem kompliziert genug, als dass man verstehen könnte, was das eigentlich bedeutete.
    »Du weißt doch, was die Kusine von einem Halbbruder ist«, sagte Joel.
    »Klar weiß ich das.«
    »Ich dachte, du könntest mich die Weihnachtszeitschriften verkaufen lassen. Du kriegst den ganzen Verdienst. Plus drei Kronen bar.«
    »Ich will fünf«, antwortete Otto rasch.
    In dem Augenblick wusste Joel, dass er es schaffen würde. Er hatte die Oberhand gewonnen. Jetzt waren Otto Weihnachtszeitschriften und Kusinen von Halbbrüdern egal. Er interessierte sich für Geld, nichts anderes.
    »Fünf sind zu viel. Außerdem weißt du, dass ich gut im Weihnachtszeitschriftenverkaufen bin. Ich verkaufe mindestens eine mehr, als du verkauft hättest.«
    Otto sagte nichts. Im letzten Jahr hatte Joel die meisten Weihnachtszeitschriften im ganzen Ort verkauft. Otto wusste, dass Joel die Wahrheit sagte.
    »Ich will fünf«, sagte er wieder.
    »Du kriegst drei«, sagte Joel. »Morgen.«
    »Ich will sie jetzt.«
    »Morgen.«
    »Jetzt.«
    Joel tat so, als dächte er nach. »Morgen«, sagte er wieder. »Jetzt.«
    Der Augenblick war gekommen. »Gib mir den Katalog. Du kriegst drei.«
    »Jetzt.« »Ja. Jetzt.«
    Otto reichte ihm den Katalog. Joel gab ihm drei Kronen. Das Duell war vorbei. Joel hatte seinen Gegner besiegt. Er konnte seine unsichtbare Pistole wieder in das Halfter stecken. »Es kann dauern«, sagte Joel. »Den Katalog kriegst du morgen in der Schule wieder.«
    Otto wurde wieder misstrauisch. »Aber du verkaufst an niemand ändern?«
    »Nur an meine Kusine.«
    »Du hast doch gesagt, sie ist die Kusine von dem Halbbruder von deinem Vater.«
    »Dann ist sie auch meine Kusine. Weißt du denn gar nichts?«
    Otto gab keine Antwort. In der Beziehung sind wir einander ähnlich, dachte Joel. Keiner von uns beiden mag Unrecht haben.
    Joel hatte den Katalog bekommen. Otto hatte das Geld in die Tasche gesteckt.
    »Irgendwas ist an der Sache faul«, sagte er. »Warum gibst du mir drei Kronen, nur um deine Kusine zu überraschen?« »Mein Papa hat sie mir gegeben«, antwortete Joel. »Er will, dass ich sie überrasche.«
    Joel wusste, dass es fast wahr sein musste, wenn man log. Sonst glaubte einem niemand.
    »Morgen früh brauch ich den Katalog wieder«, sagte Otto.
    »Und wenn du ihr keine Zeitschriften verkaufst, krieg ich noch drei Kronen dazu.«
    »Ich verkaufe«, antwortete Joel.
    Otto ging davon. Joel atmete auf. Es war anstrengend gewesen. Aber er hatte es

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