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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte doch immer gesagt, dass es so gut war mit Sara. Dass sie so viel zusammen lachten. Und er übernachtete doch einmal in der Woche bei ihr. »Hat sie nicht gesagt, warum?«, fragte Joel.
    Samuel schüttelte den Kopf. Joel meinte, bald würde er anfangen zu weinen.
    Im selben Augenblick begann Samuel zu weinen. Es schnitt Joel ins Herz. Das war das Allerschlimmste und Schwerste. Es war eine Sache, wenn Samuel an Land trieb und ein Schiffbrüchiger war. Wenn er anfing zu weinen, war er wie ein Ertrinkender.
    Am liebsten hätte Joel auch geweint. Aber das tat er nicht. Er stand auf und ging um den Tisch herum. Streichelte Samuel über den Kopf.
    Wenn Samuel weinte, klang es, als ob er piepste. Gleichzeitig versuchte er etwas zu sagen. Aber die Wörter hüpften ohne Zusammenhang aus seinem Mund. Joel begriff, dass er zu erklären versuchte, warum Sara nicht mehr wollte. Aber er verstand nicht, was Samuel sagte.
    Hinterher war es sehr still.
    Samuel starrte in seine Kaffeetasse. Joel dachte, dass Sara jetzt das Gleiche gemacht hatte wie Mama Jenny. Sie hatte Samuel verlassen.
    »Ist sie abgehauen?«, fragte Joel. »Hat sie auch ihre Tasche genommen und ist verschwunden?«
    »Sie ist noch da«, sagte Samuel. »Warum sollte sie von hier weggehen? Sie will mich nur nicht mehr sehen.«
    Joel half Samuel ins Bett. Zog ihm die Schuhe aus und deckte ihn zu. Dann saß er in der Küche und wartete, bis er sicher war, dass Samuel eingeschlafen war. Da war er selber schon so müde, dass er sich auch nicht auszog und sich einfach nur ins Bett legte. Die Decke zog er über den Kopf. Durch die Wand grollte Samuels Schnarchen.
    Als Joel am nächsten Morgen aufwachte, sprang er aus dem Bett um nachzusehen, ob Samuel noch da war. Dass er nicht wach geworden und sich davongeschlichen hatte, um noch mehr zu trinken zu besorgen. Aber zu Joels Überraschung saß Samuel am Küchentisch. Er frühstückte und hatte sein Proviantpaket zurechtgemacht. Schuldbewusst sah er Joel an. »Das war nicht gut, was da gestern passiert ist«, sagte er. »Aber das soll nicht wieder vorkommen.«
    Joel wusste, dass es stimmen konnte oder auch nicht. Das hatte Samuel schon so oft versprochen.
    »Was ist passiert?«, fragte Joel.
    »Zwischen Sara und mir ist Schluss«, antwortete Samuel. »Das kam ganz unerwartet für mich.«
    Joel fragte nicht weiter. Er merkte, dass Samuel wieder Tränen in den Augen hatte.
    Joel sah ihm nach, wie er sich mit seinem krummen Rücken auf den Weg in den Wald machte.
    Joel hatte nicht die Absicht, in die Schule zu gehen. Er hatte keine Kraft. Da war die Sache mit Sara. Was war da eigentlich passiert? Mal schien alles so gut zu sein. Und am nächsten Tag kommt Samuel angeschwankt mit Augen, die rot vom Feuerwasser sind.
    Joel entschied sich sehr schnell. Er musste die Wahrheit herausfinden. Als er sich angezogen hatte, verließ er das Haus. Es bestand immer ein Risiko, dass jemand entdeckte, dass er die Schule schwänzte. Aber er musste es tun, das hatte er beschlossen. Es war noch so früh, dass Sara noch nicht zur Arbeit in Luddes Bierstube gegangen war. Er würde sie zu Hause antreffen.
    Als er an die Tür von Saras Wohnung klopfte, öffnete sie fast unmittelbar. Sie trug einen Morgenmantel und Lockenwickler im Haar. Überrascht lächelte sie ihn an. Das machte ihn wütend. Samuel hatte am Küchentisch gesessen und geweint. Sara stand da und lächelte. Das war ungerecht.
    »Joel«, sagte sie. »Was für eine Überraschung. Bist du nicht in der Schule?«
    Sie ließ ihn hinein. Joel putzte sich nicht die Stiefel ab und hoffte, er würde ordentlich viel Dreck auf den Fußboden schleppen.
    Jetzt merkte er, wie wenig er Sara mochte. Er konnte sich noch daran erinnern, wie es gewesen war, als es mit Sara und Samuel anfing. Jetzt kehrte das Gefühl zurück. Er hätte sie am liebsten geschlagen. Sie waren in ihre Küche gegangen.
    »Ich kann mir schon denken, dass du gekommen bist, weil du wissen willst, was passiert ist«, sagte sie.
    Endlich wurde sie ernst. Joel nickte. Aber er sagte nichts.
    »Ich hab deinen Papa sehr gern«, sagte sie. »Aber wir passen wohl doch nicht richtig zusammen.«
    »Du bist das, die nicht zu ihm passt«, sagte Joel. »An Samuel ist nichts auszusetzen.«
    »Das hab ich doch auch gar nicht gesagt.«
    »Warum passt ihr dann nicht zusammen?«
    »Vielleicht wollen wir nicht dasselbe.«
    Eins war gut an Sara, dachte Joel. Sie sprach mit ihm, als ob er erwachsen wäre. Er beschloss, das zu sagen, was er

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