Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief
ganzen Tag Zeit.«
Und es war ein Glück, dass er so viel Zeit hatte. Nach stundenlangem Suchen fand er schließlich die alte mottenzerfressene Hülle, ganz hinten in einem von Simons Wirtschaftsgebäuden. Als er zurückkam, war Simon auf seinem Stuhl eingeschlafen. Joel wollte ihn nicht wecken. Er wusste, dass Simon sein ganzes Leben lang Schlafschwierigkeiten gehabt hatte.
Die Hunde wedelten mit dem Schwanz, als Joel vorsichtig zur Tür hinausging.
Sie bewachten Simons Schlaf.
Für den Rest des Tages blieb er zu Hause und versuchte dahinter zu kommen, wie eine Gitarre funktionierte. Er schlug die Saiten an und tat so, als ob er spielen könnte. Aber währenddessen dachte er ständig an Samuel. Und an das, was Sara gesagt hatte.
Rechtzeitig begann er das Mittagessen vorzubereiten. Er legte ein neues Tischtuch auf. Samuel sollte es zu Hause genauso fein haben wie bei Sara. Er würde es bereuen, dass er sie überhaupt gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wollte.
Es war auch etwas Gutes an dem, was geschehen war, fand Joel. Jetzt würde Samuel vielleicht erkennen, was für ihn das Beste war. Sie würden von hier fortgehen. Das Meer wartete. Joel stand am Fenster und hielt Ausschau nach Samuel. Es war schon dunkel geworden. Bald würde er kommen. Aber die ganze Zeit spürte Joel die Unruhe. Er war doch nicht wieder trinken gegangen? Bei Samuel wusste man nie. Eigentlich wäre Joel am liebsten zu Sonja Mattsson gegangen, um seinen Handschuh abzuholen. Vielleicht würde sie ihm heute die Tür in einem durchsichtigen Schleier öffnen?
Joel seufzte. Es ging nicht.
Immer war er seine eigene Mama gewesen. Jetzt musste er auch noch Papa für seinen eigenen Vater sein.
Er sah auf die Straße. Wartete auf Samuel.
Wartete und wartete.
Und das Essen wurde kalt.
12
Mit einem Ruck wurde Joel wach. Er war am Küchentisch eingeschlafen, während er auf Samuel wartete. Wie spät es war, wusste er nicht. Aber jetzt hörte er Schritte auf der Treppe. Das konnte niemand anders als Samuel sein. Joel stand auf. War Samuel nüchtern oder nicht? Die Tür wurde aufgerissen. Joel ließ sich erleichtert auf den Stuhl sinken. Samuels Augen waren nicht rot. Er schwankte nicht. Er kam spät. Aber er hatte nicht getrunken. »Du bist noch auf?«, fragte er erstaunt.
Joel fragte sich, wie blöd Samuel eigentlich war. Hätte er schlafen gehen sollen, bevor Samuel zu Hause war? Er musste ihm dringend seine Meinung sagen.
»Wie hätte ich schlafen können, wenn du draußen rumrennst?«
»Was heißt draußen rumrennen«, antwortete Samuel. »Ich war bei Sara und hab versucht, mich mit ihr auszusprechen.«
Gespannt wartete Joel auf die Fortsetzung. Aber Samuel sagte nichts mehr. Joel überlegte besorgt, ob Sara erzählt hatte, dass er selbst dort gewesen war. Er wusste nicht, wie Samuel darauf reagieren würde. Ihm passte es häufig nicht, wenn sich jemand in das einmischte, was er tat. Darin waren er und Joel sich ähnlich.
Samuel hatte seine Jacke aufgehängt und sich die Stiefel von den Füßen gestreift.
»Wie spät ist es?«, fragte Joel.
»Es ist wahrscheinlich schon nach Mitternacht«, antwortete Samuel. »Wir müssen beide schlafen, damit wir morgen auf der Höhe sind.«
Samuel schien nicht mehr so bedrückt zu sein wie gestern.
»Wie war es?«, fragte Joel vorsichtig.
Samuel zuckte mit den Schultern.
»Sie findet, wir passen nicht zusammen«, sagte er. »Vielleicht hat sie Recht? Obwohl ich es nicht verstehe.«
Joel sagte nichts. Sara hatte offenbar nicht verraten, dass er bei ihr gewesen war. Sonst hätte Samuel es schon gesagt. Er war noch mal davongekommen.
»Wir haben uns jedenfalls nicht angeschrien«, sagte Samuel. »Ich hab Mittag gegessen und wir haben uns in aller Ruhe unterhalten. Aber es bleibt wohl dabei. Wir beide, du und ich, sind wieder allein.«
Das sind wir die ganze Zeit gewesen, dachte Joel. Du konntest zu Sara gehen. Ich nicht.
Samuel gähnte. »Morgen reden wir weiter«, sagte er. »Jetzt müssen wir schlafen. Das Essen, das du heute gemacht hast, können wir morgen essen.«
Gemeinsam stellten sie die Töpfe in den Speiseschrank. Dann wusch Joel sich rasch und kroch in sein Bett. Trotzdem war es eine Erleichterung. Samuel war nicht betrunken. Es gab nichts Schlimmeres als das. Nichts.
Als Joel am nächsten Tag in die Schule kam, erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Jemand hatte ihn gestern auf der Straße gesehen. Frau Nederström rief ihn nach vorn zum Katheder, als sie mit dem
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