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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dachte. »Du weißt nicht, was für dich das Beste ist«, sagte er. »Einen Besseren als Samuel kriegst du nie.«
    Sie wurde nicht böse. Sie saß da und sah ihn nur an. »Wusstest du, dass Samuel wollte, dass wir heiraten?«, fragte sie. Joel blieb fast das Herz stehen. Das durfte nicht wahr sein. Aber sie sagte es. Und Sara log nicht.
    »Ich sehe schon, du hast es nicht gewusst«, sagte sie nach einer Weile. »Aber als Samuel mich fragte, musste ich mich entscheiden. Und ich will nicht heiraten. Jemand, der nicht heiraten will, und jemand, der heiraten will — die beiden können ja wohl nicht zusammenbleiben.«
    Joel begriff gar nichts. Wollte Samuel Sara wirklich heiraten? Ohne mit ihm darüber zu sprechen? Er merkte, dass er kein Mitleid mehr mit Samuel hatte. Vielleicht hatte er sogar mit Sara abhauen und ihn, Joel, allein in diesem Nest lassen wollen? »Woran denkst du?«, fragte Sara. »Nichts«, sagte Joel. »Ich muss jetzt gehen.«
    »Glaub bloß nicht, dass es mir leicht gefallen ist«, sagte sie draußen im Flur. Sie streichelte Joel über die Wange. Er wusste nicht, ob er das mochte oder ob er sie schlagen sollte.
    Er ging weg. Sah sich nicht um. Kein Lehrer war auf der Straße, der sein Schwänzen entdeckte.
    Es war kalt. Ihm fehlte sein Fausthandschuh, der bei Sonja Mattsson versteckt war. Auf der Kirchturmuhr sah er, dass es noch früh war. Viertel nach acht. Er überlegte, ob er Gertrud besuchen sollte. Aber er hatte auch keine Lust sie zu treffen. Blieb nur noch eine Person.
    Er begann den Hügel zum Krankenhaus hinaufzugehen. Dahinter, dort, wo der Ort schon zu Ende war, lag Simon Urväder Haus. Wenn er schon nicht in die Schule ging, konnte er gleich hingehen und fragen, ob er die Gitarre leihen durfte. Einmal, als Joel nach dem sonderbaren Hund gesucht hatte, der unterwegs zu einem abgelegenen Stern war, hatte er Simon Urväder kennen gelernt. Wie ein ruheloser Geist fuhr er nachts, wenn er nicht schlafen konnte, mit seinem alten Laster herum.
    Simon Urväder war nicht ganz richtig im Kopf. Das wussten alle. Er war so verrückt, dass er lange Zeit im Krankenhaus eingesperrt gewesen war. Aber Joel wusste, dass er nicht nur verrückt war. Manchmal glaubte er, er wäre der Einzige, der entdeckt hatte, dass Simon auch klüger war als alle anderen.
    Simon Urväder hatte Joel zum See der Vier Winde mitgenommen. Dort hatte er Joel auf eine Weise lauschen gelehrt, wie er es früher nicht gekonnt hatte.
    Die Winde hatten Stimmen. Sie hatten eine Sprache. Daran dachte er, als er am Krankenhaus vorbeiging, und bald hatte er die letzten Häuser des Ortes hinter sich gelassen. Er ging schnell, weil ihn fror. Dann bog er von der Straße ab und war bei Simons Hütte. Dort stand der Laster. Der Hofplatz war wie üblich voll halb eingeschneitem Schrott. Ein verfrorenes Huhn spazierte herum und pickte. Joel stand still und lauschte. Im Wald sauste es. Aus dem Schornstein stieg Rauch. Simon war zu Hause. Wahrscheinlich las er in einem der Bücher, die er besaß. Bücher, in denen er die letzten Seiten umschrieb, damit die Geschichten so endeten, wie er es wollte.
    Joel klopfte an die Tür. Simon sagte nie »Herein«. Joel öffnete. Simon saß am Kamin, eingewickelt in ein altes Bärenfell. Zu seinen Füßen lagen zwei Hunde. Sie wedelten mit dem Schwanz, als Joel hereinkam. Simon blinzelte. »Ich hab heute Nacht von dir geträumt«, sagte er. »Joel Gustafsson. Der große Eroberer. Und jetzt bist du da.«
    Joel hatte die Gitarre an der Wand sofort entdeckt. Er ging hin und betrachtete sie. Sie hatte noch vier Saiten, zwei fehlten. Aber man konnte bestimmt auf ihr spielen. »Ich wollte dich fragen, ob du mir deine Gitarre leihst«, sagte er. »Ich verspreche dir auch, vorsichtig mit ihr umzugehen.«
    Simon hatte das Buch in seinen Schoß gelegt. »Natürlich kannst du sie leihen«, antwortete er. »Willst du zur Heilsarmee?«
    »Ich hab mir gedacht, ich will Rock-König werden.«
    »Was das ist, weiß ich nicht«, sagte Simon.
    »Rock-König? Wie Elvis!«
    »Bin selber ein alter Bärenfellkönig.«
    Joel wurde klar, dass Simon nicht wusste, was ein Rocksänger war. Bestimmt hatte er noch nie was von Elvis gehört. Simon war alt und seltsam. Er konnte nichts dafür, dass er nicht wusste, was in der Welt geschah.
    Vorsichtig nahm Joel die Gitarre von der Wand. »Irgendwo liegt noch eine alte Hülle«, sagte Simon nachdenklich. »Aber ich weiß nicht, wo.«
    »Ich werd mal danach suchen«, sagte Joel. »Ich hab den

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