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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sorgfältig formulierte Antworten auf
Görings sicherlich bohrende Fragen. Normalerweise fiel es ihm leicht, sich bei
einer Zugfahrt zu konzentrieren, doch an diesem Tag drohte die Hitze das Denken
zu sabotieren. Im Abteil musste das Fenster ein Stück weit offen stehen, so
stickig war es. Wäre er gefragt worden, hätte er sich schlechtes Wetter
gewünscht, Wolken und Wind, um den Kopf klar zu halten.
    Dahlerus legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Was hätte er darum
gegeben, aus der Zukunft zurückschauen zu können auf diese Tage im August, mit
dem Wissen darum, wie die Dinge sich entwickeln! Er hatte Hermann Göring fünf
Jahre vor dem Treffen im Sönke-Nissen-Koog kennengelernt, im März 1934 - sein
erster Eindruck war der eines Mannes gewesen, der zu seinem Wort steht. Damals
versuchten ein nationalsozialistischer Richter und ein Notar, den schwedischen
Unternehmer zu übervorteilen. Dahlerus wollte eine deutsche Witwe heiraten,
Elisabeth Nissen. Deutsche Gesetze aber verlangten, dass wegen ihres Sohnes aus
erster Ehe ein Vormundschaftsgericht in die Verbindung einwilligte. Obwohl
viel Geld für das Paar auf dem Spiel stand, peinigte es vor allem das Gefühl,
ungerecht behandelt worden zu sein. Natürlich fürchtete Dahlerus, seine private
Zukunft könne ihm zwischen den Händen zerrinnen, aber er ärgerte sich auch
maßlos über die kriminelle Energie von Beamten, deren Aufgabe es war, Recht zu
sprechen, und nicht, die Menschen auszubeuten.
    Der zuständige Richter, ein verhärmter Hanseat namens
Reinhard Rossmann, hatte ihm in einem Vieraugengespräch kurz und bündig
erklärt, dass deutsches Geld in Deutschland verbleiben müsse, dass das Reich
jeden Pfennig brauche, um die Verfehlungen der politischen Vorgänger wett- und
das deutsche Staatswesen wieder flottzumachen. Dahlerus wandte selbstbewusst
ein, dass gute Beziehungen zu den Nachbarn eine solche Entwicklung nur fördern
könnten. Ganz abgesehen von dem Profit, den eine enge wirtschaftliche
Verflechtung, ähnlich einer Ehe im privaten Leben, irgendwann einmal abwerfen
würde und beiden Seiten, der deutschen wie der schwedischen, zugute kommen
würde. Rossmann hatte kühl entgegnet, dass sich Ausländer im Dritten Reich
daran gewöhnen müssten, an zweiter Stelle zu stehen. »Deutschland braucht Sie
nicht, Herr Dahlerus - aber wenn Sie meinen, unbedingt eine Deutsche heiraten
zu müssen, dürfen Sie das selbstverständlich tun. Zu unseren Bedingungen,
versteht sich.«
    Dahlerus hatte
schnell begriffen, dass Rossmann nicht von seinen Positionen abrückte, er
hatte das Gespräch beendet und war wutentbrannt die Treppen des Gerichts
hinabgestürmt. Noch Stunden später glühte er vor Zorn auf diesen Beamten, der
sich Staatsdiener nannte, aber aufführte wie ein diktatorischer Herrscher.
Rossmann hatte ihn wie einen Aussätzigen behandelt. Selten hatte sich Dahlerus
so gedemütigt gefühlt, und er war der Ansicht, dass er, ein recht
erfolgreicher Unternehmer in mittleren Jahren, es nicht nötig habe, sich derart
herablassend abfertigen zu lassen. Die Nationalsozialisten waren angeblich
angetreten, dem deutschen Volk die Würde wiederzugeben. Nun offenbarten sie ihr
wahres Gesicht. Alle Zweifel an der Glaubwürdigkeit Hitlers und seiner
Parteikollegen schienen mehr als berechtigt. Aber der Schwede gab nicht so
schnell klein bei. Es entsprach einfach nicht seiner Natur. Dahlerus
kapitulierte erst, wenn man ihm die Pistole auf die Brust setzte.
    In der
Angelegenheit mit Rossmann kam ihm der Zufall zu Hilfe: Ein schwedischer
Firmenchef, mit dem er befreundet war, besaß gute Verbindungen in die obersten
Kreise der deutschen Regierung und bot ihm an zu vermitteln. So gelangte
Dahlerus zu einer Audienz beim damaligen preußischen Innenminister - Hermann
Göring. Der Minister lud ihn ins Preußische Staatsministerium des Inneren nach
Berlin ein. Bereitwillig reiste der Schwede in die Hauptstadt, wild
entschlossen, das Unrecht aus der Welt zu schaffen und sich auf keinen Fall
einschüchtern zu lassen. So ignorierte er die prächtige Fassade des
Ministeriums Unter den Linden genauso wie die Dimensionen des großzügig
geschnittenen Vorzimmers, in dem er gebeten wurde, sich noch ein paar Minuten
zu gedulden. Steif nahm er auf einer breiten Ledercouch Platz. Die Sekretärin
servierte Kaffee und Kekse, Dahlerus dankte und rührte betont vorsichtig in
seiner Tasse hemm, um die Stille nicht zu stören. Es schien ihm, als ernte er
für jedes Löffelklingeln einen

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