JörgIsring-UnterMörd
Pour le Mérite. Die Klinge stammte aus einer Solinger
Waffenschmiede und hatte die Worte »Getreu dem Führer, Volk und Reich«
eingraviert.
Erst als Dahlerus einige Sekunden vor Görings Schreibtisch gewartet hatte,
sah der Innenminister zu ihm auf.
»Nehmen Sie Platz, Herr ...« Göring warf einen gekünstelten Blick in seine
Unterlagen. »...Dahlerus. Was führt Sie zu mir?«
Der Schwede trug sein Anliegen vor, das er Göring schon brieflich
dargelegt hatte, und bat den Innenminister um Rat, ja eigentlich sogar um
Hilfe.
»Eingedenk dessen, dass sich die deutsche Regierang auf die Fahne
geschrieben hat, Missstände zu beseitigen und jedem deutschen Bürger zu seinem
angestammten Recht zu verhelfen, sitze ich heute vor Ihnen, Herr Minister. Nun,
Elisabeth Nissen ist eine deutsche Bürgerin. Ihre Beamten aber handeln nicht
besser als diejenigen, deren Willkür die nationalsozialistische Partei als
verkommen geißelte und damit um die Gunst des einfachen Mannes auf der Straße
buhlte. Mich persönlich hat dieses Verhalten maßlos enttäuscht.«
Göring, der ihn anfangs nicht besonders freundlich behandelte, wurde im
Laufe des Gesprächs nachdenklicher. Dahlerus spürte, wie ihn der Deutsche
intensiv taxierte, verborgene Fallstricke und Lügen zu erschnüffeln suchte.
Göring kannte die Schweden sehr gut, war mit einer Schwedin verheiratet
gewesen, schätzte die nordische Mentalität, die direkte Art der Menschen.
Offensichtlich passte der Mann, der da vor ihm saß, nach gründlicher Prüfung
in dieses Bild - Dahlerus hatte bald den Eindruck, dass Göring aufrichtig an
seinem Fall interessiert war. Dennoch brauste der Minister auf, als Dahlerus
behauptete, Ausländer seien in Deutschland nicht mehr gut gelitten, vor allem
Schweden.
»Das ist doch
vollkommener Quatsch, Herr Dahlerus, dumme Hetzpropaganda, von Neidern in die
Welt gesetzt. Sie sind doch ein intelligenter, kultivierter Mensch. Plappern
Sie nicht dieses dumme Zeug nach. Wer nichts zu verbergen hat, ist und bleibt
in Deutschland willkommen.«
Göring beruhigte
sich bald wieder, ließ seinen Gast die Dinge darlegen, warf eine Zwischenfrage
ein, bezweifelte dies und das, hörte aufmerksam zu.
Nach einer guten halben Stunde war das Thema erschöpft.
»Ich werde den
Vorgang überprüfen lassen«, versprach Göring seinem Gegenüber. »Wenn sich Ihre
Anschuldigungen tatsächlich als wahr herausstellen, wird das Konsequenzen
haben. Nicht für Sie natürlich.« Er lächelte milde. »Von meiner Seite aus
können Sie heiraten, wen Sie wollen. Und natürlich mit allem, was dazugehört.
Schließlich wollen wir auch weiterhin gute Geschäfte mit Ihnen machen.« Göring
erhob sich unvermittelt und reichte dem Schweden die Hand. »Sie hören von mir,
Herr Dahlerus.«
»Ich werde Sie beim Wort nehmen, Herr Innenminister.«
Obwohl es ihm
damals erschien, als habe er kaum Zeit mit Göring verbracht, war Dahlerus mit
einem guten Gefühl aus dem Ministeriumsgebäude getreten. Er hatte den Eindruck
gewonnen, einen Nationalsozialisten getroffen zu haben, mit dem man reden
konnte, der Argumenten zugänglich war. Aufbrausend, ja, herrisch auch, aber
nicht völlig abgehoben. Göring wirkte geistig beweglich.
Der Lauf der
Ereignisse gab ihm recht: Der Innenminister nahm sich Dahlerus' Sache an und
regelte die Vormundschaftssache in dessen Sinne. Es war so, als habe ein
Problem nie auch nur existiert. Als Dank bot der Schwede Göring an, dessen
Stiefsohn Thomas behilflich zu sein, eine Stelle in Stockholm zu finden.
Göring kam auf die großzügige Offerte wenige Monate später zurück. Zwischen
den beiden fast gleich alten Männern hatte etwas begonnen, das man nicht
Freundschaft, aber wohl gegenseitige Sympathie nennen konnte. Zumindest hätte
Birger Dahlerus es so genannt.
Dank der
erfolgreichen Hilfe bei der Vermittlung von Görings Stiefsohn riss der Kontakt
zwischen dem schwedischen Unternehmer und dem deutschen Nationalsozialisten
auch in den folgenden Jahren nicht ab. Man sprach nicht oft miteinander, vielleicht
zweimal im Jahr. Häufig genug jedoch, um die Beziehung aufrechtzuerhalten -
zumal beide davon profitierten. Bei ihren Gesprächen fiel Dahlerus auf, dass
Görings Weltbild erschreckend eindimensional war. Hitlers Gefolgsmann war
stolz auf seine diplomatischen Erfolge, die er auf eigene Initiative und am
Außenministerium vorbei errang; diese beschränkten sich aber auf Südosteuropa
und Polen. Ansonsten kannte er die Welt nicht aus eigenem Erleben,
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