Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
zu geraten.«
    Dahlerus, der den Inhalt des Briefes schon aus Lord Halifax' eigenem Mund
gehört hatte, nahm die von Görings Attacke etwas zerrupften Blätter wieder an
sich. Natürlich wusste er, dass der Feldmarschall des Englischen nur bedingt
mächtig war, dies allerdings ungern zugab. Er übersetzte das Schreiben langsam
vom Englischen ins Deutsche, bemüht, keinen falschen Zungenschlag
hineinzubringen. Der Inhalt war wenig überraschend, Halifax appellierte an die
Deutschen, eine friedliche Lösung mit Polen zu suchen, unterstrich den
kompromisslosen Willen der Engländer, an ihrem Beistandspakt festzuhalten,
aber auch ihre Bereitschaft, im Falle einer einvernehmlichen Lösung die freundschaftlichen
Beziehungen zu Deutschland weiter auszubauen - alles in warmen Worten,
sorgfältig formuliert.
    Görings Laune
besserte sich sprunghaft. Für ihn war der Brief ein vorzeigbarer Erfolg, der
seine eigene Position stärkte. Vielleicht brachte das Schreiben Hitler dazu,
den Angriff weiter nach hinten zu verschieben.
    Der Feldmarschall betrachtete Dahlerus, der das Papier auf einem kleinen
Tisch zwischen ihnen abgelegt hatte. Wenn der Schwede wüsste, dass Hitler den
Angriffsbefehl auf Polen, Codewort »Weiß«, gestern schon unterschrieben hatte!
Wären die Dinge gelaufen wie geplant, würden bereits die ersten deutschen
Bomber über polnischem Boden kreisen. Dass sie trotzdem hier zusammensaßen und
Göring seine friedlichen Absichten bekundete, beruhte auf einer für den Feldmarschall
absonderlichen Verkettung von Umständen.
    Nachdem die
Engländer ihren Pakt mit den Polen ratifiziert hatten, erklärten die Franzosen,
sie würden ebenfalls losschlagen. Das alleine war keine große Überraschung.
Aber dann war Mussolini umgefallen. Aus heiterem Himmel. Einfach so. Zog seine
bereits zugesagte Unterstützung zurück.
    Göring imponierte
dieser Mann, weil er vor niemandem Respekt hatte. Der italienische Diktator
verlangte als Preis für seine Kooperation so aberwitzige Materialmengen, dass
die Wehrmacht danach praktisch kampfunfähig gewesen wäre. Wie konnte man nur so
verrückt sein? Hitler hatte zum Schein eingewilligt. Er wusste, wie er mit
seinesgleichen umgehen musste. Vorsichtshalber hatte der Führer den Befehl
»Weiß« erst mal gestoppt.
    Dahlerus durfte sich also weiter optimistisch wähnen, den Krieg verhindern
zu können. Göring hätte jeden Aufschub durchaus begrüßt, aber für ihn war die
Lage weitaus komplizierter. Er musste sich, wollte er weiter auf der Seite der
Strippenzieher stehen, alle Optionen offenhalten. Dass er riskant spielte, war
ihm sonnenklar, doch ohne Risiko kein Jackpot. Zum Glück für
    Göring war seine Vorstellung eines Hauptgewinns variabel. Ob nun Führers
Liebling oder Englands Alternative, beides schmeichelte seinem Ego. Es kam
darauf an, zur richtigen Zeit an den richtigen Schrauben zu drehen.
    Göring beugte sich vor und legte eine Hand auf die beschriebenen Seiten.
»Mein lieber Dahlerus, diesen Brief legen wir dem Führer persönlich vor.«
    »Glauben Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist? Es steht ja nichts
wirklich Neues darin.«
    »Nichts Neues für Sie und mich. Beim Führer bin ich mir da nicht so sicher.
Außerdem schätzt er es, die Dinge schwarz auf weiß vor sich zu sehen.«
    »Wenn das so ist. Hauptsache, es hilft, den Krieg zu verhindern. Wann
wollen Sie bei Herrn Hitler vorsprechen?«
    Göring lächelte triumphierend. »Sofort natürlich.«
    Der Feldmarschall sprang auf und griff zu einem der Telefone auf seinem
Schreibtisch. »Oberstleutnant Conrad. Bringen Sie uns zurück nach Berlin. Und
melden Sie mich in der Reichskanzlei an. Noch heute Abend. Mich und Herrn
Birger Dahlerus.« Er machte eine kleine Pause und sah den Schweden
verschwörerisch an. »Einen meiner engsten Vertrauten.«
    Göring legte auf und schmunzelte. Der Feldmarschall war froh, heute die
taubenblaue Uniform gewählt zu haben, die er sich erst kürzlich hatte
schneidern lassen. Sie besaß golddurchwirkte Epauletten, die stilistisch durch
zwei Streifen an jeder Hosenseite wieder aufgegriffen wurden. Seit der Krieg
fast minütlich auszubrechen drohte, trug er zudem seinen Orden Pour le Mérite,
auf den er besonders stolz war, weil er ihn sich als waghalsiger Flieger im
Ersten Weltkrieg erworben hatte. Nicht nur er selbst wusste allerdings, dass
die Zahl seiner gegnerischen Abschüsse deutlich nach oben korrigiert worden
war. Nachweisen ließ sich das freilich nicht mehr, wie so vieles war

Weitere Kostenlose Bücher