JörgIsring-UnterMörd
hatte, zu ihnen gestoßen. So weit er sich erinnerte, ein
harter Knochen. Er würde sich an Grasshoff halten müssen.
»Wir gehen jetzt
zum Verhörzimmer, du marschierst voran. Langsam! Wenn wir da sind, öffnest du
die Tür und gehst rein. Machst du eine schnelle Bewegung oder gibst einen Laut
von dir, bist du ein toter Mann. Hast du mich verstanden?«
Der Mann nickte. »Ja. Wenn du Edgars Bruder bist...«
»Ich will nur wissen, ob du mich verstanden hast.«
»Ich habe dich verstanden.«
»Wie heißt du?«
»Lorzer. Karl. Oberscharführer Lorzer.«
»Befindet sich jemand in den anderen Zimmern, Karl?«
»Nein.«
»Dann los. Und nimm die Hände runter.«
Krauss trat einen Schritt zurück, um Lorzer ein wenig Spielraum zu geben.
Der Oberscharführer ging langsam aus dem Aufenthaltsraum, Krauss folgte mit
zwei Metern Abstand. Die Waffe hielt er auf Lorzers Hinterkopf gerichtet. Nach
etwa sechs Metern bog der Gang nach rechts ab, und sie standen vor der Tür des
Verhörraums. Krauss zischte Lorzer an, er solle stehenbleiben. »Denk an meine
Worte, Karl. Der einzige Weg, aus diesem stinkenden Kellerloch lebend wieder
herauszukommen, ist der, mir zu gehorchen. Edgar wird dich gewarnt haben.«
»Du bist also Richard.«
»Öffne die Tür!«
Lorzer öffnete die Tür und ging hindurch, Krauss folgte ihm auf den Fuß.
Der Raum war etwa zwanzig Quadratmeter groß. Vor der Wand, die Krauss
gegenüber lag, befand sich ein Stuhl, auf dem ein nackter, blutüberströmter
Mann saß. Werner Grasshoff, hager, Brille, hohe Stirn, eine Gummischürze
umgebunden, beugte sich gerade über sein Opfer. Krauss sah etwas Metallisches
in seiner Hand. Neben Grasshoff stand ein Rolltisch, auf dem mehrere Werkzeuge
lagen. Etwa drei Schritte von den beiden entfernt, links von Krauss,
beobachtete Wiesmann, die Arme vor der Brust verschränkt, das Geschehen. Er
hatte sich nur leicht umgewandt, als Lorzer und Krauss den Raum betraten. Sein
Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der nicht gestört werden wollte. Auch
Grasshoff hatte den Kopf Richtung Tür gedreht.
Krauss schleuderte Lorzer mit einem kräftigen Fußtritt nach vorne; der
Oberscharführer fiel wild mit den Armen rudernd vornüber und riss den Stuhl
samt darauf angeschnalltem Mann um. Wiesmann öffnete fassungslos den Mund, aber
Krauss hatte schon die Waffe auf ihn gerichtet und schoss ihm in Knie und
Schulter. Die Wucht der Geschosse ließ Wiesmann gegen die Wand taumeln. Krauss
zielte auf Grasshoff. Der hatte sich aufgerichtet, aber nicht von der Stelle
gerührt. Lorzer rappelte sich mühsam vom Boden hoch. Krauss nahm die Walther
schnell in die Linke und zog mit der Rechten den Colt aus dem Schulterhalfter.
In jeder Hand eine Waffe, eine auf Grasshoff, eine auf Lorzer gerichtet,
blickte er kurz zu Wiesmann. Von dem Nazi kam kein Laut, er lag mit
geschlossenen Augen am Fuß der Wand, auf die er geprallt war.
Krauss sah Grasshoff an. »Hallo, Werner.«
»So bald haben wir nicht mit dir gerechnet, Richard.«
»Manchmal verrechnet man sich eben. Irren ist menschlich. Wobei das
Menschliche euch ja weniger liegt.«
»Immer noch der alte Zyniker.«
»Manche Dinge verändern sich eben nicht.«
»Na ja. Früher
hättest du nicht auf deine eigenen Leute geschossen. So ganz der Alte scheinst
du also nicht zu sein.«
»Früher war alles
besser. Aber ich bin nicht hier, um in Erinnerungen zu schwelgen.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
»Du legst jetzt
erst mal die Zange - oder was immer du da in der Hand hast - ganz langsam auf
den Tisch. Dann schiebst du ihn mit dem Fuß weg. Schön vorsichtig!«
Grasshoff
gehorchte. Bisher war ihm keine Spur von Nervosität anzumerken. Vielleicht
hatten ihn die Jahre als Folterknecht abgehärtet.
Krauss setzte
darauf, dass sich der Kern einer Persönlichkeit selten veränderte. Und im Kern
war Grasshoff ein Feigling.
»Nimm die Hände hinter den Kopf. Du auch, Karl.«
»Was glaubst du eigentlich, wer du bist, Richard? Meinst du, du kannst
einfach hier hereinspazieren, ein paar Leute umlegen und ungestraft wieder aus
Berlin verschwinden? So dumm bist du doch nicht.«
»Ihr legt doch auch dauernd Leute um und niemand zieht
euch zur Rechenschaft. Gleiches Recht für alle.«
»Nein, so einfach ist das nicht. Du nimmst Sonderrechte für dich in
Anspruch seit dem, was damals passiert ist. Dabei warst nicht du im Recht,
sondern wir. Hättest du noch auf unserer Seite gestanden, hättest du genauso
gehandelt. Aber du hast die Seiten
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