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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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können: Er offenbarte sich dem Jüngeren, nahm ihn auf wie einen Sohn.
Krauss verdankte Maybaum, dass er und Hanna es überhaupt geschafft hatten,
Berlin lebend zu verlassen. Was danach mit seinem Retter geschehen war, wusste
er nicht.
    Für seinen Bruder
hatte es keinen Grund gegeben, an Maybaums Loyalität zu zweifeln. Krauss hatte
mit ihm nie über den V-Mann geredet. Wenn er es einem Menschen zutraute, seinen
Kopf über Wasser zu halten, dann war es Maybaum. Deshalb setzte er alle seine
Hoffnungen auf ihn. Es war ein Schuss ins Blaue, aber das Einzige, was Krauss
auf die Schnelle einfiel. Damals unterhielt Maybaum ein kleines Ladenlokal mit
Werkstatt am Prenzlauer Berg.
    Nach dem Debakel in »Auerbachs Keller« machte sich Krauss auf den Weg
dorthin. Die Leichen würden bald entdeckt sein. Edgar würde nicht viel
Phantasie brauchen, um die Handschrift zu erkennen, die hinter dem Überfall
stand, davon war Krauss überzeugt.
    Die Zeit lief ihm davon. Es war bereits später Nachmittag. Er ließ sich mit
einem Taxi in die Nähe von Maybaums Hutladen bringen. Dort angekommen, mischte
er sich unter die Passanten. Je näher er der Straßenecke kam, hinter der
Maybaums Geschäft lag, desto unruhiger wurde er. Als das Ladenlokal endlich in
Sichtweite kam, atmete er auf. Der geschwungene Schriftzug auf der Scheibe war
immer noch derselbe. »Hüte Maybaum« stand dort zu lesen und kleiner darunter:
»Herren & Damen/Erstklassige Zylinder«.
    Aufmerksam observierte
Krauss die Umgebung, bemühte sich, dabei nicht aufzufallen. Niemand erregte
seine Aufmerksamkeit. Scheinbar achtlos spazierte er auf der gegenüberliegenden
Straßenseite an dem Laden vorbei. Er passierte einen Bäcker und eine Änderungsschneiderei,
auf deren Schaufenster große Judensterne prangten. »Kauft nicht bei Juden!«,
stand darunter. Der Laden wirkte dunkel. Einige hundert Meter entfernt
überquerte er die Straße und ging zurück. Wieder passierte er Maybaums kleines
Geschäft, wieder schien ihm alles unverdächtig. Als er um die nächste
Straßenecke bog, spürte Krauss plötzlich, wie Schmerzwellen von seinem
Rückgrat durch seinen Körper schössen. Vielleicht hatte ihn Lorzer bei seiner
rabiaten Attacke doch verletzt, die alte Wunde gereizt. Ihm wurde schlecht und
schwindelig. Seine Hände waren schweißnass. Er zog sich in einen Hauseingang
zurück, lehnte sich mit der Stirn gegen die kühle Wand.
    Nach zwei Minuten
ebbten die Schmerzen langsam ab. Krauss tat so, als studiere er die
Klingelschilder. Kurze Zeit später fühlte er sich wieder besser. Er saugte die
warme Nachmittagsluft tief in seine Lungen, versuchte sich auf die
bevorstehende Begegnung zu konzentrieren. Das Risiko, das damit verbunden war,
musste er ausblenden, jeder seiner Schritte beinhaltete ab jetzt eine Gefahr.
Außerdem schien die Umgebung sauber, soweit er das beurteilen konnte. Die
Menschen, die er beobachtete, hatten ein Ziel. Sie erledigten Einkäufe oder
kamen von der Arbeit nach Hause. Niemand war damit beschäftigt, nicht aufzufallen.
Natürlich hatte das nichts zu sagen, aber Krauss redete es sich zumindest ein.
    An Maybaums Laden angekommen, trat er sofort ein. Die Türglocke bimmelte
dezent. Im kleinen Geschäftsraum war niemand zu sehen. Zu beiden Seiten des
Raums standen deckenhohe Regale, randvoll mit Kopfbedeckungen, darunter mit
Federn verzierte Trachten- und Jagdkappen, einfache Filzmützen, aber auch
leichte Strohhüte. Für Frauen gab es elegante Exemplare für die Rennbahn und
die Oper. Auf zwei Tischen vor der Fensterauslage stapelten sich Kutscherzylinder,
Melonen und Chapeau Claques. Ein schmaler Gang führte in einen hinteren Raum,
zur Werkstatt. Maybaum warb damit, jeden noch so ausgefallenen Hutwunsch zu
erfüllen. Hinter der Geschäftstheke, auf der sich die Registrierkasse befand,
wurde ein Vorhang beiseitegeschoben. Ein etwas beleibter, kleiner Mann betrat
den Raum. Trotz der sommerlichen Temperaturen trug er einen Anzug und eine
Fliege. Seine Haare lagen wie ein graues Vogelnest um den Schädel. Er blinzelte
Krauss durch seine Nickelbrille an.
    »Womit kann ich Ihnen helfen?«
    Krauss lächelte freundlich. »Hallo, Leo.«
    Maybaum wirkte irritiert. Er nahm den Kopf zurück, als müsse er seinen
Blick neu justieren, tat einen Schritt und riss die Augen auf. »Richard?«
    Krauss schnitt eine entschuldigende Grimasse.
    »Richard, du bist es, ich glaube es nicht. Du bist es
wirklich.«
    Maybaum lief auf ihn zu. Die Männer umarmten sich.
    »Lass

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