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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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sagt, wen er trifft und welche Papiere sich in seinem Besitz befinden.« Wie das ermittelt werde, sei selbstverständlich der Professionalität der von Poggart einzusetzenden Kollegen überlassen. Poggart bejahte. Drabic übergab ihm Schlüssel und ein Dossier über Thewe, das Telefonnummern, Adressen, Autokennzei-chen und Kontaktpersonen auflistete. Poggart steckte die Schlüssel ein, schaute auf das Papier und fasste den Auftrag nach seinem Verständnis nocheinmal zusammen. Drabic bestätigte die Richtigkeit dieser Zusammenfassung. Dann tranken die Männer ihr Bier aus, und Drabic sagte, dass er jetzt in das Moon gehen würde, um dort noch ein Bier zu trinken. Zusammen gingen sie von den Abfallcontainern zurück zum Parkplatz, wo sie sich trennten. Drabic ging über die Straße in Richtung Diskothek, der zweite Mann ging zu seinem Dienstwagen und fuhr in das Büro der Bessemer Consult zurück. Poggart fuhr zum Arrowhochhaus, um das Handy von Sprißler wieder in dessen Arbeitszimmer abzulegen. Von einem der blinden Fenster oberhalb des Moon aus wurden die Vorgänge auf dem Parkplatz durch Kriminalbeamte der Abteilung Droge, Sitte und Organisierte Kriminalität, zuständig für den Hauptbezirk Untere Unstrut, routinemäßig überwacht und mitdokumentiert.

XVI
    Thewe war nach Sprißlers Weggehen in der Eingangshalle des Arrowhauses stehen geblieben und wartete auf einen Rückruf von Leffers. Er hatte Leffers in Berlin angerufen, aber dessen Sekretärin hatte Thewe nicht durchgestellt, Leffers sei in einer Besprechung, er würde sich gleich melden. Dieses gleich war für den, der auf den Anruf warten musste, ein fundamental anderes als für den, der den Anruf gleich, wenn er erst dies und das und jenes, was ihm wichtiger war, erledigt hätte, von sich aus initiieren konnte, wann er wollte. Der Unter leidet, der Mächtige lässt warten. Jede Minute des Wartens hieß für den Wartenden: du bist eine Null. Mit Mühe versuchte Thewe sich von die-sem Verdikt Leffers’, den es bei Assperg nie gegeben hätte ohne Thewes Unterstützung, in Gedanken abzuwenden. Er glaubte, gerade seine Optionen im Konflikt mit Holtrop durchzurechnen, als er merkte, dass er in seinen Gedanken eigentlich beim nächsten Schluck aus der silbernen Flachflasche war. Nach einer Zeit des Widerstands gegen die Anwesenheit des Gedankens der Möglichkeit dieses nächsten Schlucks schaute Thewe wieder auf die Uhr, akzeptierte die ihm von Leffers neuerlich übermittelte Beleidigung, drehte sich um und ging auf die rückwärtige Wand der Halle und die dortige Ecke zu, erstaunt davon, dass er, dort angekommen, im Moment des Unbeobachtetseins einfach ganz ruhig kehrtmachte und zurück zu der Stelle seitlich hinter dem Pult des Empfangsdesks ging, wo er zuvor gestanden hatte. »Auch Schluck kann warten«, dachte Thewe, die Absurdität der Situation erheiterte ihn auch. Es wäre einfach, Holtrop einfach für verrückt zu erklären, aber das war Unsinn, Holtrop war nicht wirklich verrückt geworden. Trotzdem hatte die Unruhe, die am Krölpastandort Asspergs entstanden war, ihren Ursprung in Holtrops Paranoia, seiner generalisierten Angst vor Verrat. Weil Holtrop sich von Wenningrode bedroht fühlte, hatte er, um eine Gegendrohung aufzubauen, die Beragberater nach Krölpa geholt, die alle hier nervös machen sollten. Aber die Angst vor Illoyalität gehörte nach Thewes Auffassung und seiner eigenen Praxis als Chef, die es auch gab, auch wenn er selbst nur ein schwacher und kein guter Chef war, zum Chefsein dazu, sie war durch Vorsicht oder Misstrauen nicht beseitigbar. Thewe hatte sich deshalb nicht daran beteiligt, durch eigene Maßnahmen sicherzustellen, dass es unmöglich sein würde, ihn durch Intrigen zu schädigen. Jetzt stand er als Depp dieser Zurückhaltung da. Er hatte nicht die ganze Zeit Informationen gesammelt, weder gegen Sprißler noch gegen Meyerhill, die in natürlicher Konkurrenz um die Arrowführung hier in Krölpa, um seine Nachfolge also, standen, schon gar nicht gegen Holtrop, um sich im Fall eines Angriffs mit einem Gegenangriff wehren zu können. Die einzige Maßnahme zur Eigensicherung, die Thewe ergriffen hatte, war seine Offenheit gewesen, mit der er allen sein Vertrauen und die Friedlichkeit seiner Absichten signalisiert hatte. Aber natürlich war das primär als das aufgefasst worden, was es auch war: als Schwäche, Zeichen von Schwäche und deren Akzeptanz. Damit war Thewe unter den aktuellen Bedingungen des betriebsinternen Kriegs

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