John Corey 01 - Goldkueste
nicht viel fürs Meer übrig«, sagte sie.
»Doch, ich mag das Meer. Ich bin nur nicht gern drin oder drauf.«
»Auf Shelter Island gibt' s ein paar Jachthäfen und Buchten. Willst du dort anlegen?«
»Willst du?«
»Ja, aber lieber doch nicht.«
»Ganz meine Meinung«, wiederholte ich.
Dann erreichten wir endlich den Korridor zwischen der North Fork und Shelter Island. Die Einfahrt war ungefähr eine halbe Meile breit, und Shelter Island im Süden war hoch und breit genug, um zumindest etwas Windschutz zu bieten. Der Sturm heulte weniger laut, so dass wir besser reden konnten, und die See ging nicht ganz so hoch.
Beth stand auf und hielt sich mit einer Hand am Griff des Armaturenbretts über dem Niedergang fest. »Was ist deiner Meinung nach an jenem Tag passiert?« fragte sie. »An dem Tag, an dem die Gordons ermordet wurden?«
»Wir wissen, dass sie den Hafen auf Plum Island gegen Mittag verlassen haben«, antwortete ich. »Sie sind so weit aufs Meer hinausgefahren, dass das Patrouillenboot sie nicht mehr ausmachen konnte. Dort haben sie gewartet und die Küste durchs Fernglas beobachtet, bis das Patrouillenboot außer Sicht war. Dann sind sie mit Vollgas zur Insel zurückgebraust. Bis zur nächsten Patrouillenfahrt hatten sie vierzig bis sechzig Minuten Zeit. Das wurde uns auf Plum Island bestätigt. Richtig?«
»Ja, aber ich dachte, wir hätten von Terroristen oder sonstigen Unbefugten gesprochen. Soll das heißen, dass du gleich damals an die Gordons gedacht hast?«
»Irgendwie schon. Ich hatte keine Ahnung, was sie gemacht haben könnten - aber ich wollte wissen, wie sie etwas hätten durchziehen können. Einen Diebstahl oder sonst irgendwas.«
Sie nickte. »Bitte weiter.«
»Okay, sie rasen zur Insel zurück und ankern in Strandnähe. Wird ihr vor Anker liegendes Boot von einem Hubschrauber oder Streifenfahrzeug gesichtet, ist das kein großes Problem, weil unterdessen jeder die Gordons und ihr auffälliges Formula 303 kennt. Laut Stevens' Aussage ist es an diesem Tag jedoch nicht gesichtet worden. Richtig?«
»Richtig.«
»Okay, der Montag ist ein schöner, ruhiger Herbsttag. Die Gordons fahren mit ihrem Schlauchboot an Land und verstecken es im Gebüsch. Im Boot haben sie die Aluminium kiste. «
»Und Schaufeln.«
»Nein, sie haben den Schatz bereits gehoben und an einem leicht zugänglichen Ort versteckt. Aber erst mussten sie jede Menge Vorarbeit leisten: Nachforschungen in Archiven, Grabungen, Kauf von Mrs. Wileys Grundstück und so weiter.«
Beth überlegte einen Augenblick. »Glaubst du, dass die Gordons Tobin um seinen Anteil bringen wollten?«
»Nein, das glaube ich nicht. Die Gordons wären mit ihrer Hälfte des Schatzes abzüglich fünfzig Prozent Steuern zufrieden gewesen. Ihr Geldbedarf war um etliches geringer als der Tobins. Und sie wollten sich als Entdecker von Captain Kidds Schatz feiern lassen. Tobin hatte jedoch ganz andere Bedürfnisse und Absichten. Er wollte seine Partner beseitigen, den ganzen Schatz für sich behalten, den größten Teil heimlich verkaufen und einen kleinen Teil angeblich auf seinem Grundstück finden, um ihn bei Sotheby's versteigern zu lassen - mit großem Medienrummel und einem Mann von der Finanzbehörde im Hinterzimmer.«
Beth griff unter ihre Seglerjacke, brachte die vier Goldst ücke zum Vorschein und hielt sie mir unter die Nase. Ich griff nach einem und betrachtete es genauer, während ich weiter das Boot steuerte. Die Münze war etwa so groß wie ein amerikanischer Vierteldollar, aber viel schwerer. Das Gold war überraschend blank, und ich sah auf der Vorderseite einen im Profil abgebildeten Mann und konnte auf der Rückseite einige spanische Worte entziffern. »Scheint eine sogenannte Dublone zu sein.« Ich wollte ihr das Goldstück zurückgeben.
»Behalt es als Glücksbringer«, sagte Beth.
»Glücksbringer? Auf das Glück, das es bisher gebracht hat, kann ich verzichten!«
Beth nickte, betrachtete nachdenklich die drei Goldmünzen in ihrer Hand und warf sie über Bord. Ich warf die vierte hinterher.
Das war nat ürlich eine idiotische Geste, aber wir fühlten uns danach besser. Ich verstand plötzlich den weitverbreiteten Seemannsaberglauben, dass man in Notfällen etwas Wertvolles - oder jemanden - über Bord werfen müsse, um das aufge brachte Meer zu besänftigen. Jedenfalls fühlten wir uns besser, nachdem wir das Gold über Bord geworfen hatten, und tatsächlich ließen Sturm und Seegang etwas nach, als habe unsere Opfergabe
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