John Corey 01 - Goldkueste
Tobin an unsere Fersen ge heftet, und ich konnte mir ausmalen, wie der Bug der Autumn Gold das Heck der Sandra rammen würde - ein Freudsches Bild, wie man es sich kaum besser vorstellen konnte.
Alles sah danach aus, als würden wir in Kürze versenkt werden.
Als Mr. Tobin merkte, dass wir ihn gesichtet hatten, schaltete er den Außenlautsprecher ein und brüllte: »Fuck you!«
Also wirklich.
Ich schob die Gashebel nach vorn, so dass sich der Abstand zwischen unseren Booten vergrößerte. Er wusste, dass er ein Formula 303 nicht überholen konnte - nicht einmal bei diesem Seegang. »Fuck you!« kreischte er wieder. »Ihr seid erledigt! Ihr seid beide erledigt!«
Freddies Stimme klang quietschig, aber das mochte am Lautsprecher liegen.
Beth hatte irgendwann ihre 9-mm-Glock gezogen. Sie kauerte hinter ihrem Sitz und versuchte, die Hand mit ihrer Pistole auf der R ückenlehne zu stabilisieren. Ich fand, sie solle endlich schießen, aber sie drückte nicht ab.
Ich sah mich nach dem Chris-Craft um. Jetzt fiel mir auf, dass Tobin nicht auf der offenen Brücke, sondern im Steuerhaus darunter stand. Ich sah auch, dass das Ausstellfenster vor dem Steuerrad hochgeklappt war. Aber noch interessanter war, dass der Skipper, Captain Freddie, sich mit einem Gewehr in der rechten Hand aus dem Fenster lehnte, während er anscheinend mit der linken Hand steuerte. Seine rechte Schulter war gegen den Fensterrahmen gestemmt, das Gewehr hielt er auf uns gerichtet. Na ja, wir befanden uns bei Nacht und ohne Lichter auf zwei im Sturm wild auf und ab tanzenden Booten, was der Grund dafür sein mochte, dass Tobin noch zögerte, das Feuer zu eröffnen. »Los, schieß endlich!« rief ich Beth zu.
»Ich darf erst schießen, wenn er schießt«, antwortete sie.
»Schieß, verdammt noch mal!«
Sie drückte ab. Sie schoss das ganze Magazin leer, und ich sah die Windschutzscheibe neben Tobin zersplittern. Und ich stellte fest, dass F. Tobin sich nicht mehr mit seinem Gewehr aus dem Fenster lehnte. »Gut gemacht!« rief ich Beth zu.
Sie rammte ein weiteres Magazin mit fünfzehn Schuss in ihre Pistole und ließ den Kabinenkreuzer nicht mehr aus den Augen.
Ich sah mich immer wieder um, während ich das Formula bei zunehmendem Seegang unter Kontrolle zu halten versuchte. Dann tauchte Tobin plötzlich hinter dem offenen Fenster auf, und ich sah das Mündungsfeuer seines Gewehrs. »Deckung!« brüllte ich. Das Gewehr blitzte noch dreimal, und ich hörte, wie ein Geschoß ins Armaturenbrett einschlug, bevor das nächste meine Windschutzscheibe in tausend Stücke riss. Beth erwiderte das Feuer langsamer und konzentrierter als vorher.
Da ich wusste, dass wir gegen die Treffsicherheit eines Gewehrs nicht ankommen konnten, gab ich Vollgas, so dass unser Boot durch die Wogenkämme krachte und sich dabei langsam, aber sicher weiter von dem Chris-Craft entfernte. Sobald der Abstand auf schätzungsweise zwanzig Meter angewachsen war, konnten wir einander nicht mehr sehen. Aber Mr. Tobins blecherne Lautsprecherstimme verfolgte uns über die aufgewühlte See. »Fuck you! Ihr ersauft beide! Diesen Sturm überlebt ihr nie! Fuckyou!“
Das klang ganz und gar nicht nach dem Mann von Welt, den ich kennen und verachten gelernt hatte. Eher nach einem Mann, der den Verstand verloren hatte.
»Ihr seid erledigt! Ihr seid beide so gut wie tot!«
Ich hatte es satt, mich von einem Mann hänseln zu lassen, der erst vor kurzem meine Geliebte ermordet hatte. »Den Kerl bring' ich um!« rief ich in die Nacht hinaus.
»Lass dich nicht von ihm provozieren, John. Er weiß genau, dass er erledigt ist. Er ist verzweifelt.«
Freddie verzweifelt? Unsere Lage war auch alles andere als rosig.
Beth starrte weiter nach achtern und blieb in Schuss position. »John, am besten beschreibst du einen großen Kreis, damit wir hinter ihn kommen«, forderte sie mich auf.
»Beth, ich bin nicht John Paul Jones, und das ist keine Seeschlacht.«
»Ich will ihn nicht hinter uns haben!«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Pass einfach auf, und lass mich wissen, ob er wieder näher kommt.« Ich warf einen Blick auf die Treibstoffanzeige und sah, dass die Nadel bedenklich nach links gerutscht war. »Für Ausweichmanöver haben wir nicht genug Sprit.«
»Denkst du, dass er noch immer nach Plum Island will?« fragte sie.
»Dort ist das Gold.«
»Aber er weiß, dass wir seine Absichten kennen.«
»Deshalb wird er weiter versuchen, uns umzubringen.«
Beth schwieg eine Zeitlang, dann fragte
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