John Corey 01 - Goldkueste
hatte.
Wir waren jetzt mitten im Gatt - zwischen Orient Point im Westen, Plum Island im Osten, der Gardiners Bay im Süden und dem Long Island Sound im Norden. Der Seegang war inzwischen mörderisch. Das Formula glich einem Stück Treibgut, das von der Strömung mitgerissen wurde. Es begann sogar zu kreiseln, so dass der Bug abwechselnd nach Osten, Süden und Westen zeigte, aber der Sturm trieb uns unaufhaltsam nach Norden in die Meerenge, wo ich hinwollte.
Meine ursprüngliche Idee, den Hafen auf Plum Island anzulaufen, erschien mir unter den gegebenen Umständen fast lachhaft.
Beth schaffte es, zu mir her überzukommen. Sie schob sich hinter mich auf den Sitz und umklammerte mich mit Armen und Beinen, während ich mich mit aller Kraft am Steuerrad festhielt. Ein Gespräch war nicht mehr möglich, aber sie vergrub ihren Kopf an meinem Hals, und ich hörte sie sagen: »Ich hab' Angst.«
Angst? Ich war vor Entsetzen gelähmt und konnte kaum mehr richtig denken. Dies war bestimmt die schrecklichste Erfahrung meines Lebens, wenn ich meinen Weg durch den Mittelgang zum Altar nicht mitrechnete.
Das Boot wurde jetzt so wild herumgeworfen, dass ich vollkommen die Orientierung verlor. Ich war jedoch geistesgegenwärtig genug, die Gashebel in Leerlauf Stellung zurückzuziehen, sobald sich zeigte, dass die Schrauben mehr in der Luft als im Wasser liefen. Treib Stoff sparen ist eine Lang zeitstrategie, und obwohl ich mich in einer Kurzzeitsituation befand, aber... man weiß doch nie.
Beth umklammerte mich noch enger, und hätte mir nicht unser bevorstehender Tod durch Ertrinken vor Augen gestanden, hätte ich das bestimmt als angenehm empfunden. So konnte ich nur hoffen, dass dieser Körperkontakt für sie tröstlich war. Für mich war er's jedenfalls. Sie flüsterte mir wieder ins Ohr: »Wenn das Boot sinkt, musst du mich ganz fest umarmen.«
Ich nickte. Dann dachte ich wieder daran, dass Tobin schon fünf anständige Menschen umgebracht hatte und nun im Begriff war, zwei weitere um die Ecke zu bringen. Ich konnte kaum glauben, dass dieser kleine Scheißer wirklich soviel Tod und Leid über seine Mitmenschen gebracht hatte...
Jedenfalls wurden wir durch das Gatt geblasen wie eine Pa pierkugel durch ein Kinderblasrohr. Es schien wie eine Ironie des Schicksals, dass gerade das Wüten des Sturms und die hereinkommende Flut dafür sorgten, dass wir so gut durchkamen. Ich meine, die geballte Kraft von See, Wind und Flut war nach Norden gerichtet, so dass die Wechselwirkung von Wind und Flut im Gatt diesmal nicht eintreten konnte.
Wir befanden uns jetzt im Long Island Sound, wo Wind und Seegang etwas nachlie ßen. Ich gab wieder Gas und steuerte das Boot nach Osten.
Beth stand noch immer hinter mir und hielt mich umklammert, wenngleich nicht mehr so krampfhaft.
Vor uns erkannte ich jetzt die dunklen Umrisse des alten Leuchtturms auf Plum Island. Ich wusst e, dass wir hinter dieser Landzunge wie zuvor im Lee von Shelter Island etwas geschützt sein würden. Plum Island war zwar weniger hoch und lag weiter draußen im Atlantik, aber es würde uns trotzdem einen gewissen Schutz bieten.
»Leben wir noch?« fragte Beth.
»Klar. Du bist sehr tapfer gewesen. Sehr ruhig.«
»Ich war vor Angst wie gelähmt.“
»Egal.« Ich nahm eine Hand vom Steuer und drückte ihre rechte Hand, die auf meinem Bauch lag.
Dann erreichten wir die Leeseite von Plum Island und passierten den an Steuerbord aufragenden Leuchtturm. Dabei fiel mir ein grüner Lichtpunkt auf, der uns vom Turm aus verfolgte. Als ich Beth darauf aufmerksam machte, sagte sie: »Nachtsichtgerät. Wir werden von einem von Mr. Stevens' Männern beobachtet.«
»Richtig«, bestätigte ich. »Ungefähr die einzige Überwachungsmaßnahme, die in dieser Nacht noch funktioniert.«
Im Windschatten von Plum Island war die See kaum merklich ruhiger. Wir hörten, wie die Wogen sich in hundert Meter Entfernung am Strand brachen.
Trotz des starken Regens sah ich einen Lichtschein hinter den Bäumen, der von der Sicherheitsbeleuchtung des Hauptlabors stammte. Er bedeutete, dass die Generatoren noch arbeiteten, und das wiederum bedeutete, dass die Filter und Luftreiniger funktionierten. Es wäre wirklich unfair gewesen, diesen Sturm zu überleben, Plum Island zu erreichen und an Milzbrand zu sterben. Wirklich.
Beth ließ mich los, schälte sich aus meinem Sitz und griff nach dem Handgriff des Armaturenbretts. »Was, meinst du, ist aus Tobin geworden?«
»Ich meine, dass er um die
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