John Corey 01 - Goldkueste
angezogen war wie ich - mit Designerklamotten und Boots schuhen. Diesmal trug er keine Traubenkrawatte, sondern ein affiges lila Tuch in der Brusttasche seines blauen Blazers.
Mr. Tobin war ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren, vielleicht etwas jünger, weniger als mittelgroß, was eine Erklärung für seinen Napoleonkomplex sein mochte. Er war weder dick noch dünn, hatte braunes volles Haar, das jedoch nicht ganz echt war, und trug einen sorgfältig gestutzten Kinnbart. Seine Zähne, ebenfalls nicht seine eigenen, waren perlweiß, und sein Gesicht war sonnengebräunt. Insgesamt ein eleganter Mann mit guter Haltung und gewählter Ausdrucksweise. Aber alle Eleganz, alle Kosmetiktricks konnten nichts an seinen dunklen Knopfaugen ändern, deren Blick ruhelos umherirrte, als seien sie in ihren H öhlen locker.
Mr. Tobin benutzte ein nach Tannen duftendes Rasierwasser, das vermutlich keine Bienen anlockte.
»Verstehe ich richtig, dass Sie mir ein paar Fragen stellen wollen?« erkundigte er sich.
»Nur ein paar Routinefragen.« Übrigens gibt's bei Mord ermittlungen keine Routinefragen.
»Tut mir leid, ich bin kein... Ich meine, ich habe absolut keine Ahnung, was den Gordons zugestoßen sein könnte.«
»Nun, sie sind ermordet worden.«
»Ich weiß... Ich wollte damit sagen...«
»Ich brauche nur einige Hintergrundinformationen.«
»Vielleicht sollte ich lieber meinen Anwalt anrufen.«
Als ich das h örte, zog ich die Augenbrauen hoch. »Das ist natürlich Ihr gutes Recht.« Ich machte eine kleine Pause, dann fügte ich hinzu: »Wir können diese Befragung im Beisein Ihres Anwalts auf dem Revier durchführen, oder wir können sie hier und jetzt in ungefähr zehn Minuten hinter uns bringen.«
Er schien darüber nachzudenken. »Ich weiß nicht recht... Ich habe keine Erfahrung in solchen Dingen...«
Ich schlug meinen gewinnendsten Tonfall an. »Hören Sie, Mr. Tobin, Sie werden keineswegs verdächtigt. Ich befrage nur alle Freunde der Gordons. Sie wissen schon - Hintergrund informationen.«
»Ja, ich verstehe. Nun... wenn Sie glauben, dass ich Ihnen irgendwie helfen kann, bin ich gern bereit, Ihre Fragen zu beantworten.«
»So ist's recht.« Da ich nicht wollte, dass Tobin ein Telefon in Reichweite hatte, sagte ich: »Wissen Sie, ich bin noch nie durch ein Weingut gegangen. Könnten wir nicht einen kleinen Rundgang machen?«
»Natürlich. Das wollte ich ohnehin gerade, als Sie gekommen sind.«
»Schön, dann ist ja uns beiden geholfen.“
Ich folgte ihm durch die Haustür in den Sonnenschein hinaus. Zwei kleine in der Nähe geparkte Muldenkipper waren mit Trauben beladen.
»Wir haben vor zwei Tagen mit der Weinlese begonnen«, erklärte Mr. Tobin.
»Montag.«
»Ja.«
»Bestimmt ein großer Tag für Sie.«
»Ein erfüllender Tag.«
»Sie sind den ganzen Tag hier gewesen, nehme ich an.«
»Den ganzen Tag.«
Ich nickte. »Guter Ertrag?«
»Danke, bisher sehr gut.«
Wir spazierten durch den Weinberg, dessen Rebstöcke schwer behangen waren. Die Beeren verströmten einen herrlichen Geruch, und die Bienen hatten mich zum Glück noch nicht entdeckt.
Mr. Tobin zeigte auf meine kleine Plastikt üte mit seinem Markenzeichen und fragte: »Was haben Sie gekauft?«
»Eine bemalte Kachel für meine Freundin.«
»Welche?«
»Beth.«
»Ich meine, welche bemalte Kachel?«
»Oh. Die mit dem Fischadler.«
»Die gibt's jetzt wieder häufiger.«
»Bemalte Kacheln?«
»Nein, Fischadler. Hören Sie, Detective...«
»Komische Vögel. Ich hab' irgendwo gelesen, dass sie einander lebenslänglich die Treue halten. Ich meine, sie sind doch vermutlich nicht katholisch. Wozu dann diese Ehen auf Lebenszeit?«
»Detective...«
»Aber dann hab' ich 'ne andere Version gelesen. Die Weibchen sind lebenslänglich treu, wenn das Männchen zum selben Nest zur ückkehrt. Wissen Sie, die Vogelschützer stellen hohe Masten mit großen Plattformen hin, auf denen sie ihre Nester bauen. Die Fischadler - nicht die Vogelschützer.«
»Entschuldigen Sie, Detective, wie sagten sie gleich wieder...«
»Nennen Sie mich einfach John.«
Er starrte mich an, und ich merkte, dass er mich einzuordnen versuchte, was ihm jedoch nicht ganz gelang. Jedenfalls hielt Tobin mich nach dieser kleinen Columbo-Imitation für einen Einfaltspinsel und wirkte nun etwas entspannter. »Die Nachricht von ihrem Tod ist wirklich ein Schock für mich gewesen«, sagte er. »Eine Tragödie! Sie waren so jung und so lebenslustig.«
Ich schwieg.
»Wissen Sie
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