John Corey 01 - Goldkueste
Kompromiss zwischen Beschattung der Rebstöcke und Besonnung der Trauben zu finden.«
Er schwatzte weiter. Und weiter.
Ich sp ürte, dass ich den Kerl trotz meines ersten ungünstigen Eindrucks beinahe mochte. Wir würden bestimmt niemals dicke Freunde werden, aber Fredric Tobin besaß einen gewissen Charme, auch wenn er zu viel redete. Man merkte ihm an, dass er seinen Beruf liebte und sich hier zwischen seinen Rebstöcken sehr wohl fühlte. Ich begann zu verstehen, warum die Gordons ihn gemocht hatten.
»Auf der North Fork herrscht ein Mikroklima«, erklärte er mir. »Deutlich anders als das der umliegenden Gebiete. Haben Sie beispielsweise gewusst, dass wir hier mehr Sonne bekommen als die Hamptons auf der anderen Seite der Bay?«
»Echt? Wissen das die Reichen in den Hamptons?«
Er fragte weiter: »Mehr Sonne als in Connecticut jenseits der Meerenge?«
»Was Sie nicht sagen. Wie kommt das?«
»Es hängt mit den Meeresströmungen und den hier vorherrschenden Winden zusammen. Wir haben hier Seeklima, Connecticut dagegen Kontinentalklima. Dort drüben kann's im Winter zehn Grad kälter sein. Das würde den Rebstöcken gar nicht bekommen.«
»Versteht sich von selbst.«
»Außerdem wird's hier nie zu heiß, denn das würden die Reben ebenfalls nicht gut vertragen. Die Tatsache, dass wir vom Wasser umgeben sind, wirkt sich günstig auf unser Klima aus.«
»Wärmer, sonniger, die Fischadler kehren zurück. Das ist großartig.«
»Interessiert Sie das alles?“
»Sehr.« Kein bisschen.
Wir bogen in die n ächste Reihe ab, in der ein mechanischer Traubenernter auf die Rebstöcke einprügelte und die heruntergeschlagenen Trauben dann einsaugte. Du lieber Himmel! Wer erfindet solche Maschinen?
Wieder eine Reihe weiter waren einige heiratsf ähige junge Dinger in Shorts und Tobin-T-Shirts dabei, Weintrauben in Handarbeit zu verlesen. Der Herr der Reben blieb stehen, um mit ihnen zu scherzen. Er war heute gut drauf, und die Mädchen gingen bereitwillig auf seine Scherze ein. Dem Alter nach hätte er ihr Vater sein können, aber sie reagierten auf sein Geld - so einfach war das. Während ich meinen ganzen Charme und Geist aufbieten muss, um eine Frau rumzukriegen, kenne ich reiche Typen, die jungen Damen weit weniger clevere und geistreiche Vorschläge machen. Wie zum Beispiel: »Komm, wir fliegen übers Wochenende mit der Concorde nach Paris.« Aber das funktioniert jedes Mal.
Nach einigen Minuten verlie ßen wir die niedlichen Wein leserinnen, und Mr. Tobin meinte: »Ich habe heute Morgen noch keine Nachrichten gehört, aber eine Mitarbeiterin hat mir erzählt, im Radio wäre gesagt worden, die Gordons hätten möglicherweise einen neuen Wunderimpfstoff gestohlen, um ihn zu verkaufen. Anscheinend seien sie dann reingelegt und beseitigt worden. Stimmt das?«
»So scheint's gewesen zu sein.«
»Dann besteht also keine Gefahr, dass eine... eine Seuche, eine Art Epidemie ausbricht?«
»Nicht die geringste.«
»Gut. Viele waren deswegen ja in Sorge.«
»Nicht mehr nötig. Wo sind Sie Montagabend gewesen?«
»Ich? Oh, ich habe mit Freunden diniert. In meinem eigenen Restaurant drüben im Hauptgebäude.«
»Um wie viel Uhr?«
»Gegen acht. Wir hatten die Nachricht noch gar nicht geh ört.«
»Wo sind Sie davor gewesen? Etwa um halb sechs?«
»Zu Hause.«
»Allein?«
»Ich habe eine Haushälterin und eine Freundin.«
»Wie schön für Sie. Können die beiden sich daran erinnern, wo Sie um halb sechs gewesen sind?«
»Natürlich. Ich bin zu Hause gewesen«, versicherte er und fügte hinzu: »An dem Tag haben wir die Weinlese begonnen. Ich bin schon im Morgengrauen hier gewesen. Gegen vier Uhr bin ich erschöpft heimgefahren, um ein Nickerchen zu machen. Dann bin ich zum Abendessen zurückgekommen. Ein kleines Festmahl, um den Beginn der Weinlese zu feiern. Da man nie weiß, wann sie beginnt, findet man sich immer spontan zusammen. In ungefähr einer Woche wird die Weinlese offiziell gefeiert.«
»Ein schöner Anlass. Wer sind Ihre Gäste gewesen?« wollte ich wissen.
»Meine Freundin, mein Gutsverwalter, ein paar Freunde...« Er musterte mich prüfend und sagte: »Das klingt wie ein Verhör.«
Kein Wunder, schlie ßlich war es eins. Aber ich wollte nicht, dass Mr. Tobin sich aufregte und seinen Anwalt oder Max anrief.
Deshalb behauptete ich: »Das sind nur Standardfragen, Mr. Tobin. Ich versuche festzustellen, wo jeder sich am Montagabend aufgehalten, welche Beziehungen jeder zu den Verstorbenen
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