John Corey 01 - Goldkueste
daraus, dass sie mit dem Polizeichef befreundet waren. Dann waren sie häufig mit meiner Wenigkeit zusammen, auch das vielleicht, um zu demonstrieren, dass sie beste Beziehungen zur Polizei hatten.
Zu den Dingen, deren wahre Bedeutung erst nachträglich ans Licht kam, gehörte auch, dass Judy, die auf leeren Magen drei Biere gekippt hatte, mich an dem bewussten Juniabend vor Toms Rückkehr mit den Pizzas gefragt hatte: »Was ist das Haus deines Onkels denn wert?«
»Schätzungsweise vierhunderttausend, vielleicht auch mehr. Warum?«
»Ach, nur so. Will dein Onkel verkaufen?«
»Er hat es mir unter Marktwert angeboten, aber dazu müsste ich eine Hypothek von über zweihunderttausend Dollar aufnehmen.«
Damit war das Thema erledigt gewesen, aber wenn Leute einen fragen, wie viel ein Auto, ein Boot oder ein Haus wert ist, und sich dann erkundigen, ob es zu verkaufen ist, sind sie neugierig oder kaufwillig. Die Gordons waren nicht neugierig. Nachtr äglich kam es mir so vor, als hätten sie damit gerechnet, sehr schnell reich zu werden. Aber falls dahinter eine illegale Transaktion steckte, hätten die Gordons nicht mit ihrem Geld angegeben und ein Haus an der Bay für vierhunderttausend Dollar kaufen können. Deshalb war der erwartete Reichtum legal erworben oder würde zumindest den Anschein erwecken. Impfstoff? Vielleicht.
Nun, zur ück zu diesem Mittwochmorgen im September, inzwischen gegen halb neun. Tom und Judy Gordon, die mit ihm auf Onkel Harrys Bootssteg gestanden hatten, waren jetzt tot, und damit war gewissermaßen ich am Zug.
Ich machte kehrt und ging ins Haus zurück. Ich war durch die Morgenluft und meine Karotte gestärkt, meine guten Erinnerungen an zwei nette Menschen hatten mich motiviert, und die Sorgen und Enttäuschungen des Vortags waren in die richtige Perspektive gerückt. Ich war ausgeruht und tatendurstig. Ich konnte es kaum noch erwarten, ein paar Leute in den Hintern zu treten.
Es gab einen weiteren scheinbar zusammenhanglosen weißen Punkt, der auf dem Sonarschirm eingeordnet werden musste: Mr. Fredric Tobin, Weingutsbesitzer.
Weil es möglich war, dass jemand angerufen hatte, während ich am Strand nachdachte, sah ich im Vorbeigehen nach meinem Anrufbeantworter, aber der erhoffte Anruf war nicht gekommen. »Miststück!« Aber, aber, John.
Ich verließ das Haus mehr verärgert als gekränkt. Ich trug Mr. Ralph Laurens Blazer, Mr. Tommy Hilfingers Oxfordhemd, Mr. Eddie Bauers Hose, Mr. Perry Ellis' Boxershorts, Mr. Karl Lagerfelds Rasierwasser und Messrs. Smith & Wessons Revolver.
Ich ließ den Motor meines Grand Cherokees mit der Fernbedienung an und stieg ein.
»Bonjour, Jeep.«
Ich fuhr zur Main Road und bog nach Osten in die aufgehende Sonne hinein. Die Main Road führt größtenteils durch ländliche Gebiete, bildet aber zugleich die Hauptstraße vieler Ortschaften. Außerhalb der bebauten Gebiete kommt man auf ihr an Farmhäusern und Scheunen, Baumschulen, vielen Verkaufsständen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ein paar guten und einfachen Restaurants, zahlreichen Antiquitätengeschäften und einigen wirklich malerischen Holzkirchen im New-England-Stil vorbei.
Zu den Dingen, die sich hier seit meiner Kindheit ver ändert haben, gehört jedoch, dass an der Main Road jetzt ungefähr zwei Dutzend Weinkellereien stehen. Unabhängig von der Lage ihrer Weinberge haben die meisten Winzer ihre Kellereien an die Main Road verlegt, um Touristen anzulocken. Die Winzer bieten Weintouren und kostenlose Weinproben an, an die sich unweigerlich ein Besuch in der Weinkellerei anschließt, in der der Tagesausflügler sich verpflichtet fühlt, nicht nur den hiesigen Rebensaft, sondern auch Weinland- Kalender, Karaffen, Kochbücher, Korkenzieher und ähnlichen Krimskrams zu erwerben.
Die meisten dieser Weinkellereien sind umgebaute Farmh äuser und Scheunen, aber manche sind auch große Gebäudekomplexe, zu denen Weinkellerei, Restaurant, Rebengarten und dergleichen gehören. Die Main Raod ist nicht gerade die Rue de Soleil, und die North Fork nicht die Côte du Rhone, aber die Atmosphäre ist sehr angenehm - eine Art Mischung zwischen Cape Cod und Napa Valley.
In der Ortschaft Peconic fuhr ich auf einen großen kiesbestreuten Parkplatz mit einer Holztafel, auf der Fredric Tobin Vineyards stand. Die Tafel war schwarz lackiert, und die eingeschnitzten Lettern waren golden ausgemalt.
Ich stieg aus und ging über den Parkplatz auf den Tobinschen Komplex zu. Der Geruch nach ausgepressten
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