John Corey 01 - Goldkueste
schon etwas über die Beerdigung?«
»Nein, Sir. Ich glaube, die Gordons sind noch im gerichtsmedizinischen Institut. Sie dürften im Augenblick ziemlich zerlegt sein, aber später werden sie wieder zusammengesetzt. Wie ein Puzzlespiel, nur die Organe werden nicht wieder eingesetzt. Aber wer sollte schon merken, dass die Organe fehlen?«
Diesmal schwieg Mr. Tobin.
Wir gingen ein paar Minuten schweigend weiter. Stellt man unerwartet keine Fragen mehr, wird der Befragte manchmal nervös und fängt zu schwatzen an, um die Stille auszufüllen. Nach ungefähr einer Minute sagte dann auch Mr. Tobin: »Die beiden machten einen netten Eindruck.«
Ich nickte.
Er ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er hinzufügte: »Sie können keinen einzigen Feind auf der Welt gehabt haben. Aber auf Plum Island gehen seltsame Dinge vor. Was dort passiert ist, klingt sehr nach Diebstahl. Das habe ich im Radio gehört. Chief Maxwell hat von Diebstahl gesprochen. Und die Medien versuchen, eine Verbindung zu Plum Island herzu- stellen. Vielleicht rufe ich Chief Maxwell deswegen mal an. Wir sind alte Freunde. Bekannte. Er hat die Gordons ebenfalls gekannt.«
»Wirklich? Hier draußen scheint jeder jeden zu kennen.«
»Ja, das könnte sein. Das liegt an der geographischen Lage. Wir sind auf drei Seiten von Wasser umgeben. Fast wie eine kleine Insel. Irgendwann läuft jeder jedem über den Weg. Das macht diesen Doppelmord so beunruhigend. Es hätte jeder von uns sein können.«
»Meinen Sie den Mörder oder die Opfer?«
»Nun, beide«, antwortete Mr. Tobin. »Der Täter könnte einer von uns sein, und die Opfer hätten... Glauben Sie, dass der Killer nochmals zuschlagen wird?«
»Ich hoffe nicht. Ich habe schon so genug zu tun.«
Wir gingen weiter durch den Weinberg, aber Mr. T. war verstummt, also fragte ich: »Wie gut kannten Sie die Gordons?«
»Oberflächlich würde ich sagen. Die beiden sind vom Glanz und der Romantik des Weinmachens fasziniert gewesen.«
»Tatsächlich?«
»Interessieren Sie sich für Weine, Detective?«
»Nein, ich trinke lieber Bier. Manchmal auch Wodka.«
»Ah, ich verstehe.« Er riss eine weiße Traube vom nächsten Rebstock und drückte eine Beere in seinen Mund aus. »Ausgezeichnet. Fruchtig, süß, aber nicht zu süß. Heuer haben wir exakt genug Sonne und Regen gehabt. Das wird ein großer Jahrgang.«
»Wunderbar. Wann haben Sie die Gordons zum letzten Mal gesehen?«
»Vor ungefähr einer Woche. Hier, kosten Sie mal.« Er hielt mir ein paar Trauben auf der Handfläche hin.
Ich schob eine in den Mund, zerkaute sie und spuckte die Schale aus. »Nicht schlecht.«
»Die Trauben sind gespritzt. Sie sollten sie in Ihren Mund ausdrücken. Hier.« Er gab mir die halbe Traube. Wir schlenderten wie alte Freunde weiter und drückten dabei Trauben in den Mund aus. Mr. Tobin sprach weiter über das Klima, die Reben und alles, was damit zusammenhing. »Wir haben hier die gleiche jährliche Regenmenge wie Bordeaux.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Aber unsere Roten sind weniger gehaltvoll als die dortigen Grand Crus. Ihre Beschaffenheit ist anders.«
»Natürlich.«
»In Bordeaux bleibt die Maische nach der Gärung tagelang stehen. Danach wird der Wein zwei bis drei Jahre lang in Eichenfässern gelagert. Bei uns würde das nicht funktionieren. Zwischen ihren und unseren Trauben liegt ein Ozean. Die Sorten sind die gleichen, aber sie haben ihren eigenen Charakter entwickelt. Genau wie wir.«
»Gut beobachtet.«
»Wir müssen unsere Trauben auch vorsichtiger pressen als Bordeauxtrauben. In den ersten Jahren habe ich da manche Fehler gemacht.«
»Kann jedem passieren.«
»Zum Beispiel ist's bei uns wichtiger, die Reben zu schützen, als sich um einen überhöhten Gerb Säuregehalt zu sorgen. Unsere Weine weisen weniger Gerbsäure auf als die Bordeauxweine.«
»Deshalb bin ich stolz darauf, Amerikaner zu sein.«
»Als Winzer darf man nicht zu dogmatisch oder zu theoretisch vorgehen, sondern mit viel Fingerspitzengefühl.«
»Wie in meinem Beruf.«
»Aber von den alten Meistern können wir trotzdem viel lernen. In Bordeaux habe ich gelernt, wie wichtig das Auslichten des Weinlaubs ist.«
»Das kann man dort natürlich lernen.« Ich ließ ihn weiterbrabbeln, unterdrückte aber ein Gähnen.
»Nur durchs Auslichten bekommen unsere Trauben genug Sonne. In S üdfrankreich, Italien oder Kalifornien gibt's dieses Problem nicht. Aber hier auf der North Fork kommt es wie in Bordeaux darauf an, einen guten
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