John Corey 01 - Goldkueste
und gärenden Trauben war penetrant und lockte eine Million Bienen an, von denen ungefähr die Hälfte mein Lagerfeld mochten.
Wie soll ich die Weinkellerei Tobin beschreiben? Nun, ein aus amerikanischen Zedernholzschindeln erbautes französisches Chateau würde etwa wie dieser Bau aussehen. Mr. Tobin hatte offensichtlich ein kleines Vermögen ausgegeben, um sich seinen Traum zu erfüllen.
Ich war schon fr üher hier gewesen und kannte das Gebäude. Noch bevor ich hineinging, wusste ich, dass man als erstes in den Empfangsbereich kam, an den sich links der große Wein- und Geschenkladen anschloss. Rechter Hand befand sich die eigentliche Weinkellerei, ein weitläufiger zweigeschossiger Bau mit Pressen, Stahlfässern und dem übrigen Zubehör. Ich hatte einmal eine Führung mitgemacht und mir das ganze Geschwafel über die hohe Kunst der Weinherstellung angehört.
Über dem zentralen Empfangsbereich erhob sich ein ungefähr fünfzehn Meter hoher massiver Mittelturm, auf dem eine große Fahne wehte. Ich meine nicht das Sternenbanner. Ich meine eine schwarze Fahne mit dem Markenzeichen Fredric Tobin Vineyards. Ein Mann, der Wert darauf legte, seinen Namen groß herauszustellen.
Das gesamte mit Schindeln verkleidete Geb äude war weiß gestrichen, so dass man aus der Ferne glauben konnte, ein aus Kalkstein erbautes Chateau vor sich zu haben, wie man es aus Reiseprospekten kennt. Das musste Freddie eine Menge Geld gekostet haben, und ich fragte mich unwillkürlich, wie lohnend die Traubenausquetscherei wohl war.
Weiter mit der Beschreibung von Chateau Tobin: Links neben dem Weinladen befand sich ein kleines Restaurant, das Frauen und Restaurantkritiker unweigerlich als niedlich bezeichneten. Ich fand es maßlos überladen. Jedenfalls gehörte es nicht zu den Lokalen, die ich aufsuchen würde, falls die Olde Towne Taverne eines Tages vom Gesundheitsamt geschlossen würde.
Zum Restaurant gehörte eine überdachte Terrasse, auf der Leute, die Sachen von Eddie, Tommy, Ralph, Liz, Carole und Perry trugen, sitzen und Blödsinn über Wein quatschen konnten, der übrigens nichts anderes als Traubensaft mit Alkohol ist.
An das niedliche Restaurant schlie ßt sich ein großer Saal an, der sich ausgezeichnet für Hochzeiten, Taufen, Bar-Mizwas und sonstige Familienfeiern eignet - so steht's in dem von Fredric Tobin, Besitzer, gezeichneten Prospekt.
Diesen Saal kannte ich, seit ich im Juli als Gast der Gordons an einer von Mr. Tobins Weinproben teilgenommen hatte. Außer uns waren etwa zweihundert Personen anwesend - die gesellschaftliche Oberschicht der North Fork: Bankiers, Anw älte, Ärzte, Richter, Politiker, vereinzelte New Yorker, die hier Ferienhäuser hatten, erfolgreiche Kaufleute und Immobilienmakler und so weiter. Unter diese lokale Creme mischten sich einige Maler, Bildhauer und Schriftsteller, die aus verschiedensten Gründen nicht zur Szene in den Hamptons jenseits der Bay gehörten. Vermutlich waren viele von ihnen nicht erfolgreich genug, um sich die Hamptons leisten zu können, obwohl sie einem natürlich erzählt hätten, ihre Arbeit sei künstlerisch ehrlicher als die ihrer dortigen Kollegen. Wuff. Auch Max war eingeladen gewesen, hatte aber nicht kommen können.
Wie Tom und Judy mir erklärten, waren sie die einzigen Gäste, die auf Plum Island arbeiteten. »Hiesige Gastgeber meiden Leute aus Plum Island wie die Pest«, sagte Tom. Darüber lachten wir beide herzlich. Gott, Tom fehlte mir wirklich. Und Judy auch. Sie war so intelligent.
Ich wusste noch gut, wie Tom mich anlässlich dieser Weinprobe unserem Gastgeber Fredric Tobin vorgestellt hatte, einem unverheirateten Gentleman, der mit sich und seinem Erfolg anscheinend recht zufrieden war. Mr. Tobin trug einen affigen purpurroten Anzug, ein weißes Safarihemd und dazu eine gelbe Krawatte mit traubenbehangenen Weinreben. Würg!
Mr. Tobin war h öflich, aber er behandelte mich etwas kühl, was mich bei hochgestochenen gesellschaftlichen Anlässen immer ärgert. Ich meine, als Angehöriger der Mordkommission überschreitet man gewissermaßen die Klassengrenzen, und der durchschnittliche Gastgeber lädt gern einen Kriminalbeamten ein, der ein bisschen erzählt. Mordgeschichten mag schließlich jeder. Aber Fredric ließ mich sozusagen auflaufen, bevor ich ihm meine Theorie über Wein erläutern konnte.
Bei Tom und Judy beschwerte ich mich anschließend darüber, Monsieur habe nicht einmal den Anstand besessen, einen Annäherungsversuch zu machen. Aber
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