John Corey 03 - Nachtflug
»Bin um 12.15 gegangen - Komme gegen 5 zurück. Darf ich Sie zum Abendessen einladen? Jill.«
Ich rasierte mich, putzte mir zweimal die Zähne, duschte und wusch meine Boxershorts aus.
Ein Hotelpage stellte mir den Umschlag mit dem Safebeleg zu, und ich vertraute die Nummer des Belegs meinem Gedächtnis an und verbrannte ihn im Klo.
Ich las die Times vom Sonntag und sah fern. Ich schaltete mehrmals mein Handy ein, um festzustellen, ob der tote Ted wegen eines Termins für unser Treffen angerufen hatte, aber offenbar hatte er sich einen Tag freigenommen. Hoffentlich. Jetzt war es halb sechs, und Jill war noch nicht zurück, daher rief ich ihr Handy an, hinterließ eine Nachricht und genehmigte mir ein Bier.
Um 17.48 Uhr rief sie in der Suite an und sagte: »Tut mir leid. Ich habe nicht auf die Zeit geachtet. Ich komme gegen halb sieben.«
»Ich bin hier.«
Es ging eher auf sieben zu, als sie endlich eintraf. Was ist bloß los mit Frauen und ihrem Zeitgefühl? Ich wollte schon etwas über die Bedeutung der Zeit sagen, aber dann überreichte sie mir eine Barneys-Tüte und sagte: »Bitte öffnen.«
Ich öffnete die Tüte und holte ein Männerhemd heraus. In Anbetracht meines drei Tage alten Hemdes war es, glaube ich, eher ein Geschenk für sie als für mich. Aber liebenswürdig wie eh und je sagte ich: »Danke. Das ist sehr aufmerksam.«
Sie lächelte und sagte: »Ich weiß, dass Sie mit diesem Hemd auf Reisen waren, und es sah tatsächlich ein bisschen zerknautscht aus.«
Genaugenommen stank es. Ich wickelte das Hemd aus dem Seidenpapier und schaute es an. Es war ... irgendwie rosa.
»Halten Sie es mal ran«, sagte sie.
Ich hielt es an die Brust.
»Die Farbe steht Ihnen gut«, sagte sie. »Sie bringt Ihre Bräune zur Geltung.«
Es war eine gute Farbe, wenn ich die Seiten wechselte. Ich sagte: »Das war wirklich nicht... danke.«
Sie nahm mir das Hemd ab, entfernte in etwa fünf Sekunden sämtliche hundert Nadeln, schüttelte es dann auf und sagte: »Das müsste passen. Probieren Sie es an.« Es war kurzärmlig und fühlte sich seidig an. Ich zog mein anstößiges Hemd aus und schlüpfte in das rosa Seidenteil.
»Das steht Ihnen sehr gut«, sagte sie.
»Fühlt sich klasse an. Haben Sie eine telefonische Nachricht von Ihrem Mann erhalten?« fragte ich sie.
Sie nickte.
»Was hat er gesagt?«
Sie holte ihr Handy aus der Tasche, rief ihre Voicemail ab und reichte mir das Telefon. Ich hörte, wie eine Stimme vom Tonband sagte: »Nachricht eingegangen um fünfzehn Uhr dreiundzwanzig.« Dann sagte Mark Winslow: »Jill, hier ist Mark. Ich habe deine Nachricht erhalten.“
Seine Stimme verriet so gut wie keinerlei Regung, und wie schon bei seinem Foto wunderte ich mich, dass sie von dem digitalen Aufnahmegerät überhaupt erfasst wurde. Er sagte: »Ich bin sehr besorgt, Jill. Sehr besorgt. Ich möchte, dass du zurückrufst, sobald du diese Nachricht erhältst. Du musst mich anrufen und mir mitteilen, wo du bist. Das war sehr eigensinnig von deiner Seite. Die Jungs haben deinen sonntäglichen Anruf vermisst, und sie haben hier angerufen, und ich habe ihnen gesagt, dass du mit Freunden unterwegs bist, aber ich meine, sie haben mir eine gewisse Betroffenheit angehört, und ich glaube, sie sind beunruhigt. Deshalb solltest du sie anrufen und beruhigen. Und ruf auch mich an. Ich mache mir allmählich Sorgen. Ich spreche mit dir, wenn du diese Nachricht erhältst.«
Ich wartete, dass er sagte: »Ich liebe dich«, oder »Alles Gute«, aber die Nachricht war zu Ende, und ich stellte das Handy ab und gab es ihr zurück.
Einen Moment lang schwiegen wir beide, dann sagte sie: »Ich habe natürlich nicht zurückgerufen.«
»Wie konnten Sie diesem Herzenswunsch widerstehen?« erwiderte ich.
Sie lächelte, dann wurde sie ernst und sagte: »Ich möchte ihm wirklich nicht weh tun.«
»Wenn ich das mal so sagen darf«, erwiderte ich, »dann klang er nicht so, als ob es ihm sehr weh täte. Aber Sie kennen ihn besser als ich.«
»Er hat noch dreimal angerufen und kürzere Nachrichten hinterlassen«, sagte sie. »Sie lauteten einfach: Ruf mich an. «
Ich dachte über Mark Winslows Nachricht nach und kam zu dem Schluss, dass Ted Nash noch nicht bei Mr. Winslow zu Hause gewesen war und nach Mrs. Winslow gesucht hatte. Dann dachte ich noch mal darüber nach und kam zu dem Schluss, dass Ted Nash möglicherweise neben Mark Winslow gestanden haben könnte, als er seine Frau anrief. Ich fragte Jill: »Klang Ihr Mann ...
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