John Corey 03 - Nachtflug
normal?«
»Ja. Das ist bei ihm normal.«
»Ich meine damit, ob Sie glauben, dass ihm jemand souffliert haben könnte? Die Polizei oder jemand anders?«
Sie dachte darüber nach und erwiderte: »Möglich wäre es vermutlich schon ... normalerweise würde er die Jungs nicht erwähnen ... aber ...« Sie schaute mich an und sagte: »Ich weiß, was Sie meinen, aber ich kann es nicht mit letzter Gewissheit sagen.«
»Okay.« Bloß ein weiterer paranoider Gedanke, aber ein guter. Grundsätzlich spielte es keine Rolle, ob Ted Nash einen Schritt hinter mir war, solange er mir nicht einen Schritt voraus war. »Wie wär's mit einem Drink?« sagte ich zu ihr.
Wir genehmigten uns einen Drink, und sie erwähnte, dass sie mich zum Abendessen ausführen wollte, aber ich schlug den Zimmerservice vor, teils, weil ich immer den falschen Leuten über den Weg laufe, wenn ich ausgehe, teils, weil ich der Meinung war, je mehr Türen zwischen mir, Mrs. Winslow und all denen waren, die uns suchten, desto besser.
Wir plauderten eine Weile, und sie bestätigte mir, dass sie die Kassette aus der Videokamera im Hotelsafe hatte einschließen lassen, und ich sagte, dass ich den Beleg erhalten hätte. Außerdem sagte sie, dass sie ihr Handy den ganzen Tag lang abgestellt habe, keine Kreditkarten benutzt habe und nicht am Geldautomaten gewesen sei.
Sie berichtete mir, dass sie in St. Thomas an der Fifth Avenue gewesen sei und dann am Park entlang zum Metropolitan Museum spaziert sei. Sie war bei Barney's gewesen, hatte dann einen Schaufensterbummel auf der Madison Avenue gemacht und war anschließend zu Fuß zum Plaza gelaufen. Ein typischer Sonntag in New York, aber ein sehr denkwürdiger für Jill Winslow.
Wir riefen den Zimmerservice an, der um acht eintraf.
Bei gedämpftem Licht, brennenden Kerzen und leiser Musik aus den Lautsprechern setzten wir uns an den Esstisch.
Trotz alledem versuchte keiner von uns, den anderen zu verführen, was vermutlich für uns beide eine Erleichterung war. Ich meine, sie sah sehr gut aus, aber für alles und jedes gibt es eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort. Für mich war diese Zeit vorbei, seit ich geheiratet hatte; für sie fing diese Zeit gerade erst an. Außerdem sollte Kate am nächsten Tag um fünf Uhr nachmittags hier eintreffen.
Wir tranken Wein zum Essen, und sie wurde leicht beschwipst und erzählte mir von Mark und auch ein bisschen was von ihrer zweijährigen Affäre mit Bud. »Selbst als ich mir vorgenommen hatte, ein bisschen über die Stränge zu schlagen, habe ich es mit einem Mann getan, von dem ich wusste, dass ich mich nicht in ihn verlieben würde«, sagte sie. »Sicherer Sex. Ein sicherer Mann. Eine sichere Ehe. Eine sichere Wohngegend. Ein sicherer Urlaub. Sichere Freunde.«
»Daran ist wahrhaftig nichts auszusetzen.«
Sie zuckte die Achseln.
Später vertraute sie mir an: »Ich hatte nach Bud noch eine kurze Affäre. Vor drei Jahren. Sie dauerte rund zwei Monate.«
Ich wollte keine Einzelheiten wissen, und sie bot mir auch keine an.
Ich hatte mir ein Steak bestellt, nicht etwa, weil ich ein Steak wollte, sondern weil ich ein Steakmesser wollte. Als Jill sich irgendwann entschuldigte und kurz in ihr Schlafzimmer ging, brachte ich das Steakmesser in mein Zimmer.
Gegen zehn Uhr abends entschuldigte ich mich und verwies auf meinen Jetlag, das schwere Essen und den Wein, den ich nach dem Jemen nicht gewohnt sei.
Sie stand auf, und wir schüttelten uns die Hand. Dann beugte ich mich vor, gab ihr einen Kuss auf die Wange und sagte: »Sie sind eine prima Gefährtin. Das hier wird gut ausgehen.«
Sie lächelte und nickte.
»Vielen Dank noch mal für das Hemd. Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, erwiderte sie.
Ich überprüfte mein Handy auf irgendwelche Nachrichten, aber es lagen keine vor. Ich bestellte einen Weckruf für Viertel vor sieben, sah mir dann eine Weile die Nachrichten an und legte anschließend die Videokassette mit Ein Mann und eine Frau ein. Ich spulte die Szene auf der Stranddecke vor und ließ die letzten paar Minuten in Zeitlupe ablaufen, von dem Augenblick, als ich den Glutschein am Horizont sah, bis zu dem aufsteigenden Lichtschweif. Ich versuchte kritisch zu sein und die Bilder anders zu interpretieren, aber die Kamera log nicht. Ich ließ alles rückwärts ablaufen, um festzustellen, ob irgendetwas zum Vorschein kam, das man auch anders deuten könnte - aber egal, ob vorwärts, rückwärts, in Zeitlupe oder normaler Geschwindigkeit, es war das, was es zu
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