John Corey 03 - Nachtflug
ich rechts vom Wandschrank sah -, nahmen ein langes Überspielkabel und verbanden die Videokamera mit dem Fernseher, drückten auf die Abspieltaste und sahen und hörten sich alles an, was sie am Strand aufgenommen hatten.
Den Wechselstrom-Transformator und das Verbindungskabel hatten sie vermutlich dabeigehabt, wenn man davon ausging, dass sie von Anfang an vorgehabt hatten, ins Hotel zurückzukehren und ihr unanständiges Stranddeckenvideo am Fernseher abzuspielen, während sie sich ein paar Drinks genehmigten und allmählich wieder in Fahrt gerieten.
Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass sich dieses Pärchen gar nicht am Strand verlustiert hatte - dass sie nur den Sonnenuntergang filmen wollten, um später ein bisschen romantische Stimmung zu erzeugen, und dabei unabsichtlich die letzten Augenblicke von TWA 800 aufgenommen hatten.
Eigentlich kam es gar nicht darauf an, was im Vordergrund war - ob sie vögelten oder nur Händchen hielten -, ausschlaggebend war der Hintergrund.
Auf jeden Fall waren sie nicht miteinander verheiratet, sonst hätten sie das Video dem FBI übergeben.
Stattdessen waren sie so schnell aus Westhampton verduftet, dass sie Spuren am Strand hinterlassen hatten - und fünfhundert Dollar Sicherheitsrücklage im Bayview Hotel.
Die große Frage war: Hatten sie das Video vernichtet?
Ich hätte es getan. Andererseits aber vielleicht auch nicht. Sobald es vernichtet ist, ist es unwiederbringlich verloren, und diesen nicht wieder rückgängig zu machenden Schritt tun die Leute nicht allzu häufig - sie neigen eher dazu, Beweise zu verbergen, wie ich bestätigen kann. Ich kenne mindestens zehn Leute im Knast, die nicht dort wären, wenn sie die Beweise ihrer Verbrechen vernichtet hätten, statt sie zu verstecken. Die narzisstische Persönlichkeit macht manchmal dumme Sachen.
Mr. Rosenthal stand schweigend da und wartete vermutlich darauf, dass das Zimmer zu mir sprach, und ich überlegte kurz, ob ich die Hand ans Ohr legen sollte, aber bis vor etwa zehn Minuten war er hilfsbereit gewesen, und ich sah keinen Grund, ihn noch mehr zu ärgern.
»Wurde der Schlüssel in diesem Zimmer zurückgelassen?« fragte ich ihn.
»Ja. Ich kann mich daran erinnern, weil das FBI den Schlüssel behalten hat, um eventuelle Fingerabdrücke zu nehmen, beziehungsweise vom Plastikanhänger. Aber Roxanne hatte ihn bereits an sich genommen, als sie ihn im Zimmer fand, und danach hatte ihn Christopher in der Hand und vielleicht auch noch andere. Dennoch nahmen sie ihn mit und gaben mir eine Quittung dafür.“
»Haben Sie die Quittung noch?«
»Nein. Sie haben mir den Schlüssel ein paar Tage später zurückgebracht, und ich habe ihnen die Quittung gegeben.«
»Okay.« Ich bat ihn, Roxanne Scarangellos Namen zu buchstabieren. Er tat es und war sich seiner Sache ziemlich sicher. Offensichtlich mochte er sie. »Wie alt war sie?« fragte ich.
»Etwa einundzwanzig, zweiundzwanzig.«
»Wissen Sie noch, wann sie Geburtstag hatte?«
»Äh ... ich glaube, das war im Juni. Ich kann mich nicht mehr an das genaue Datum erinnern, aber ich entsinne mich, dass das Personal jeden Juni eine kleine Party für sie in der Cocktail-Lounge gab. Ein sehr beliebtes Mädchen.«
»Richtig. Und Brock buchstabiert sich B-R-O-C-K?«
»Ja.«
»Hat er noch andere Namen benutzt?«
»Nicht, dass ich wüsste. Entschuldigen Sie«, sagte er, »aber steht das nicht alles in Ihren Akten?«
»Yeah. Ich werde die Akten für Sie raussuchen. Erinnern Sie sich noch?«
»Oh, richtig. Danke.«
»Ist mir ein Vergnügen.«
Ich blickte mich ein letztes Mal um, dann ging ich hinaus auf die Veranda. Mr. Rosenthal folgte mir.
Als sie vor fünf Jahren irgendwo auf dieser Veranda stand, hatte Lucita dieses Paar gesehen, als sie aus diesem Zimmer kamen und der Typ eine Hoteldecke mitnahm - so wie ich die Schultzes bei ihrem eiligen Abgang gesehen hatte. Es spielte keine Rolle, ob sie Don Juan anhand der Zeichnung wiedererkannt hatte, oder dass sie die Frau nicht so genau gesehen hatte - es kam nur darauf, dass sie sie aus Zimmer 203 hatte kommen sehen und dass eindeutig eine Frau mit von der Partie war und eine Decke.
Ich konnte den etwa fünfzig Meter entfernten Parkplatz sehen, und demnach konnte Lucita dieses Pärchen deutlich erkennen, als es zu seinem Fahrzeug ging - einem braunen Wagen mit Heckklappe.
Ich wollte bei Mr. Rosenthal einen angenehmen und positiven Eindruck hinterlassen, daher sagte ich so freundlich wie möglich: »Ich bin
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