John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
gleichenden Zustand zu versetzen. Joseph von Arimathea würde nach einer offiziell erhaltenen Bestätigung, dass der »Tod« eingetreten sei, schließlich Pontius Pilatus ersuchen, den Leichnam vom Kreuz abnehmen und in die nahe gelegene Felsengruft seiner Familie bringen zu dürfen.
Der Plan war zwar waghalsig, jedoch wohldurchdacht. Und ihn in die Tat umzusetzen, schien durchaus möglich. Aus irgendeinem Grund – vielleicht weil der misstrauische römische Soldat Jesus den Speer in die Seite stieß – schlug er jedoch fehl. Als die damit beauftragten Männer ihn aus der Felsengruft herausholen wollten, stand er entweder an der Schwelle des Todes oder war bereits verstorben. Daraufhin brachten sie ihn an einen anderen Ort.
Als die Mehrheit der Apostel und andere Jünger, die in das Komplott nicht eingeweiht waren, die Felsengruft leer vorfanden, blieb es ihnen überlassen, sich den verwirrenden Hergang der Ereignisse zusammenzureimen, so gut sie konnten. Zwei Fakten waren aus ihrer Sicht besonders bedeutsam: Zum einen hatte Jesus gesagt, er werde den Tod überdauern. Andererseits fanden sie jedoch, als sie die leere Gruft betraten, nichts weiter vor als jene Tücher, in die man seinen Leib gehüllt hatte. Von Scham ergriffen, weil sie nicht zur Stelle waren, als Jesus sie am meisten gebraucht hätte, davon überzeugt, er sei tatsächlich der Messias gewesen, und im festen Glauben, bald werde er zurückkehren, um das neue Zeitalter anbrechen zu lassen, begannen sie jene Legenden zu weben, auf deren Grundlage die neue Religion entstand.
Für Lennon, dessen Anrufung eines höheren Wesens unbeantwortet geblieben war, klang diese nüchterne und rationale Erläuterung der Sendung Jesu durchaus einleuchtend. Und er sah sich in seiner skeptischen Haltung allen organisierten Religionen gegenüber bestärkt. Schonfields Argumentation macht er sich daher zu eigen und gelangte zu dem Schluss, die zunehmende Säkularisation, die er in England beobachten konnte, habe ihre Ursache in der Enttäuschung der Menschen über das Christentum.
Für den 4. März 1966 war ein Lennon-Interview mit Maureen Cleave vom Londoner
Evening Standard
vereinbart. Diese Journalistin schätzte er besonders. Bei ihr hatte er nicht das Gefühl, mit dem, was er sagen wollte, hinterm Berg halten und auf der Hut sein zu müssen. An einem bestimmten Punkt des Gesprächs zum Thema: »Wie lebt ein Beatle?«, das sich hauptsächlich um sein Leben in einem der Londoner Nobelvororte drehte, stellte er fest: »Das Christentum wird abtreten. Es wird abnehmen und verschwinden. Ich brauche keine Argumente dafür; ich habe recht und es wird sich erweisen, dass ich recht habe. Wir sind jetzt populärer als Jesus. Ich weiß nicht, was zuerst verschwinden wird – der Rock ’n’ Roll oder das Christentum. Jesus war in Ordnung, aber seine Jünger waren stumpfsinnig und gewöhnlich. Ihre Verdrehungen sind es, die für mich das Christentum zerstören.« 72
In Großbritannien sorgten Lennons Äußerungen kaum für Wirbel. Auch in
Newsweek
, dem
San Francisco Chronicle
und der
New York Times
standen in den folgenden Wochen Berichte darüber zu lesen, ohne dass diese eine nennenswerte Reaktion hervorgerufen hätten. Ein paar Monate später erschien das Interview jedoch in der eigentlich vergleichsweise unbedeutenden amerikanischen Teenager-Zeitschrift
Datebook
. Deren Redakteur und Herausgeber rückte jenen Satz, der alle Voraussetzungen mitbrachte, Anstoß zu erregen, als Schlagzeile auf die Titelseite. Drinnen im Heft hob er ihn noch einmal eigens heraus, indem er dem Interview in großen Lettern das Zitat voranstellte. Und er schickte schließlich vorab ein paar Exemplare der betreffenden Ausgabe an mehrere reaktionäre Radio-DJs in Birmingham, Alabama. Die erhoffte Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: John Lennon habe erklärt, die Beatles seien beliebter als Jesus, verbreiteten die DJs lauthals über den Äther. 73
Innerhalb weniger Tage brach unter den strenggläubigen Christen im berühmt-berüchtigten »Bibelgürtel« mitten im tiefen Süden der USA ein Sturm der Entrüstung los. Allenthalben wurde John Lennon um dieser Aussagen willen angeprangert, und mit ihm die Beatles. Und von dort breitete sich die Empörung weiter über die USA aus. Dutzende Radiostationen boykottierten die Songs der Beatles. Anti-Beatles-Demonstrationen, bei denen laut protestierende Menschenmengen unter den wohlwollenden Blicken von Pastoren und Diakonen Beatles-Platten in
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